24.01.2018

04 - Jupiter und der Ochse

Die Grüne Woche hat wieder einmal Zigtausende auf die Straße gebracht. Sie haben so vieles satt, von dem sie eigentlich so gut wie gar nichts wissen. Darf man ihnen das zum Vorwurf machen? Nein. Aber man darf ihren Einpeitschern vorwerfen, dass sie sich nicht genieren, Fake-Propaganda zu betreiben.

Detlef Steinert

Jeder Lateinschüler lernt einmal das Sprichwort „Quod licet Iovi, non licet bovi.“ Dessen Übersetzung lautet: Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt. Vermutlich ist die Redewendung im Mittelalter als Zuspitzung eines Zitats eines römischen Dichters entstanden. Beide drücken in etwa aus, dass nicht jeder die Freiheit hat, das zu tun, was andere tun; schon gar nicht darf ein Ochse, ein dummes Vieh, was eine Gottheit wie Jupiter darf. Bei der Gleichbehandlung hat unsere Gesellschaft seither riesige Fortschritte gemacht. Zumindest auf dem Papier, in Form von Gesetzen. Nicht zwangsläufig durch die Brille von Gesellschaftsgruppen betrachtet. Da lässt man dem einen schon einmal durchgehen, was für den anderen einen handfesten Skandal bedeutet.

Ich habe das eben erst auf der Grünen Woche miterlebt. Auf einer Pressekonferenz, mitveranstaltet vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, präsentierte dessen Vorsitzender Hubert Weiger Forderungen an die künftige Bundesregierung. Weiger, diplomierter Forstwirt und Träger des Bundesverdienstkreuzes, warnte, dass die Folgekosten des Glyphosateinsatzes deutlich höher sein werden, als die von Atrazin, einem nicht mehr zugelassenen Herbizid. Auf Rückfrage konnte er weder die Folgen benennen, noch konnte er die Kosten beziffern. Was ist das, wenn jemand eine Behauptung aufstellt, die er nicht belegen kann? Fake oder eine andere Darstellung der Wirklichkeit? Ein erlaubtes Mittel, um vor etwas zu warnen, was man als Risiko empfindet? Oder schlicht eine Parole, leicht zu merken und nachzuplappern?

An anderer Stelle habe ich in Berlin erlebt, dass hingegen herausgestellte Persönlichkeiten der Landwirtschaft angegangen wurden, weil sie sich nicht widerspruchslos für ein Verbot des Total-Herbizids einsetzen. Agrarminister Christian Schmidt zum Beispiel. Für den hatten etliche Teilnehmer der „Wir haben es satt“-Demonstration Plakate mit Rücktrittsforderungen parat. Tausende applaudierten begeistert, wenn ein Einpeitscher „Schmidt muss weg“ brüllte. Nun, so etwas gehört zur Demokratie. Nur: Wehe, man kritisiert dieses Aufpeitschen und die verwendeten Parolen! Dann weiß man schnell, welche Rolle des eingangs erwähnten Sprichworts einem zugedacht ist.

Andererseits: Auch wenn wir der Landwirtschaft noch so eng verbunden sind, sollten wir uns hüten, die Lanze über die Demo-Teilnehmer und andere zu brechen, die mit fachlich nicht begründbaren Forderungen aufwarten. Im Vorfeld der Grünen Woche rüstete mancher zumindest verbal massiv in den sozialen Medien auf und sprach denen, die da in Berlin demonstrieren, jegliches Recht auf eine Meinung über Landwirtschaft ab; als Landwirt, der diesen Beruf gelernt hat, wisse man schließlich besser, was richtig sei, als die, die nur forderten. Sicher: Wer nie eine Kuh gemolken oder ein Feld bestellt und beerntet hat, ist kein Fachmann für Agrarfragen. Aber wenn wir ehrlich sind, bildet sich jeder Mensch, ob Arbeiter, Lehrer, Bauer, Journalist, Pfarrer oder Minister, täglich eine Meinung über verschiedene Themen – Taugt der Spieler zum Rechtsaußen? Ist Atomstrom gut oder böse? Sind chinesische Investoren eine Gefahr? Bereitet das Schulsystem junge Menschen richtig aufs Leben vor?, ohne dass wir Fußballtrainer, Physiker, Volkswirte oder Pädagogen sind. Es zeugt nicht von einem aufgeklärten und modernen Menschenbild, anderen eine eigene Meinung zu versagen. Nein, es baut Ablehnung bei dem auf, den man eigentlich überzeugen will.

Statt sich in den Blasen sozialer Medien hochzupeitschen, müssen wir noch offensiver erzählen, was wir tun. Und wir sollten den ewig gleichen Plattitüden gelassen begegnen. Denn geben wir uns genervt, erscheinen wir als waidwundes Tier, das noch leichter zu bejagen und zu erlegen ist. Dabei haben Landwirte keinen Anlass, sich defensiv zu zeigen. Ähnlich sieht das auch Nikolaus Blome, Mitglied der Chefredaktion der BILD-Zeitung. Der sagte auf der Grünen Woche, er sei irritiert, wie defensiv die Landwirtschaft darstelle, was sie tut. Auf die Nichtregierungsorganisationen bezogen, stellte er zudem fest, die Menschen würden immer mehr erkennen, dass die genauso Lobby seien wie andere Verbände. Wir wären Ochsen, würden wir die Erkenntnisse nicht beherzigen!