Die Kunden ködern
Längst setzen nicht mehr alle landwirtschaftlichen Betriebe auf Ackerbau oder Viehhaltung. Gerade im Rheinland spielen die sogenannten Einkommensalternativen eine große Rolle. Viele Betriebe bauen darauf. Aber Einkommensalternativen sind alles andere als ein Selbstläufer.
Haben Sie schon mal überlegt, sich eine neue Einkommensquelle zu erschließen? Diversifizierung ist für rheinische Betriebe längst nichts Neues. Im Gegenteil: Geht es darum, ein neues Standbein für sich zu entdecken, mangelt es den Landwirtsfamilien hierzulande nicht an Ideen. Von den rund 30 000 Betrieben in NRW bieten rund 9 000 Produkte und Dienstleistungen im direkten Kontakt zum Endkunden an. Und das nicht ohne Grund: Das Marktpotenzial für Höfe mit Einkommensalternativen ist in unserem Bundesland groß, denn immerhin gibt es 18 Mio. Einwohner direkt vor dem Hoftor. Möglichkeiten der Diversifizierung gibt es genug – egal ob Direktvermarktung, Hofcafé, Urlaub auf dem Bauernhof, Angebote im Bereich Bauernhofpädagogik oder auch die Pensionspferdehaltung.
Damit die Einkommensalternativen laufen und auch lukrativ für die Betriebe sind, müssen die Betriebe einiges tun:
Beispiel Direktvermarktung: Vor allem die Direktvermarkter haben nach dem Boom in der Coronapandemie, als es viele Verbraucherinnen und Verbraucher auf die Höfe zog, durch den Ukrainekrieg und die Inflation zum Teil große Einbußen erlitten. Sie sind gefordert, ihre Kunden wieder zurückzugewinnen und nach wie vor sind alle Direktvermarkter gefordert, ihre Kunden auch zu halten. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um Qualität und Frische der Produkte. Das sind keine Alleinstellungsmerkmale mehr. Gefragt ist ein Mehr an Service. Dienstleistungen, wie das Angebot von Kochpaketen oder generell frisch zubereitete Gerichte aus der Hofküche, können eine sinnvolle Angebots-ergänzung sein. Beim Einkaufen selber zählen natürlich das Ambiente und das Erlebnis. So können die Direktvermarkter beispielsweise Produktverkostungen anbieten, ihre Stalltüren öffnen, einen Hofrundgang oder Fahrten zum Feld anbieten. Auch Hoffeste sind bei den Kunden gefragt. Warum nicht einmal im Jahr zum Spargel-, Erdbeer- oder Kartoffelfest einladen?
Beispiel Hofcafé: Obwohl die Bauernhofgastronomie in NRW gut dasteht, sind auch Hofcafés in Sachen Kundenbindung gefordert. Klar, das Kuchenangebot muss stimmen, aber auch dem Getränkeangebot sollten die Hofcafés mehr Beachtung schenken. Die Leute sind verwöhnt. Sie wollen einfach einen besonderen Kaffee. Auf Trends wie Café Frappé, Cortado oder Latte Macchiato – kombiniert mit der Trendwurzel Kurkuma – sollten sich die Cafébetreiber einstellen. Ebenso wie in der Direktvermarktung der Erlebniseinkauf gefragt ist, wünscht sich auch der Cafébesucher einen Ausflug mit Erlebnischarakter. Möglichkeiten hierfür gibt es eine Menge, wie Verkostungen von neuen Tortenkreationen aus der Hofküche (siehe LZ 40-2023, S. 32). Events auf dem Hof sind bei den Cafékunden ebenfalls gefragt und kommen gut an. Vor allen Dingen aber nicht vergessen sollten die Bauernhöfe, die Dienstleistungen anbieten, ihre Kunden von morgen. Ob Mini-Streichelzoo oder große Spielscheune – auch die Kleinen müssen zufriedengestellt werden. Und wenn sie es sind, dann sind es in der Regel ihre Eltern auch.
Kunden muss man ködern und wenn man sie hat, auch halten. Dies gilt ebenfalls für Arbeitskräfte. Einkommenskombinationen sind mit einem großen Arbeitsaufwand verbunden und es ist gerade in den Dienstleistungsbereichen wie Verkauf und Gastronomie zurzeit schwer, Mitarbeiter zu bekommen. Natürlich muss die Bezahlung stimmen. Mehr als Tariflohn ist angesagt, aber damit allein ist es nicht getan. Ihre Attraktivität können die Betriebe mit Einkommensalternativen durch sogenannte Benefits steigern, wie die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen. Und warum nicht wie für die Kunden regelmäßig ein Fest speziell für die Mitarbeiter machen, wie jetzt ein Erntedankfest? Dies fördert die Teambildung und die Bindung an den Betrieb.
Einkommensalternativen sind nicht für jeden Betrieb etwas. Sie müssen zum Betrieb und vor allem zu den Personen passen. Es ist einfach nicht jedermanns Sache, ständig Kunden um sich zu haben und deren Wünsche zu bedienen. Das muss man wollen. Und man muss für die Einkommensalternative brennen und mit Herzblut dabei sein. Wenn es gut läuft, dann zieht auch irgendwann die ganze Familie mit und die Nachfolgegeneration steigt mit ein, wie beispielsweise die junge Betriebsleiterin und der junge Betriebsleiter, die wir Ihnen in dieser Ausgabe vorstellen (siehe LZ 40-2023, S. 29 und 33). Wichtig bei einer Einkommensalternative ist, dass die Geschäftsidee und der Standort stimmen und es ein Angebot gibt, das auch nachgefragt wird. Vor allem aber Mut und Innovationsgeist sind gefragt. Dann können die Einkommensalternativen durchaus ein lukratives Standbein für „alte Hasen“, aber auch für Neueinsteiger sein.