Eine große Aufgabe für alle
Es gibt immer weniger landwirtschaftliche Betriebe und dementsprechend auch weniger gesellschaftliche Berührungspunkte. Daher weiß ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht mehr, wie Lebensmittel erzeugt werden, oder das Bild der Landwirtschaft ist von negativen Schlagzeilen entsprechend geprägt. Da hilft nur eins: Öffentlichkeitsarbeit.
Man hat häufig den Eindruck, dass hauptsächlich negativ über die Landwirtschaft berichtet wird. Leider ist das nicht nur eine gefühlte Wahrheit, sondern Realität. Das zeigen Erhebungen, wie zum Beispiel der AFC-Issue-Monitor 2023. In dem aktuellen Report kommt die AFC Risk & Crisis Consult GmbH zu dem Ergebnis, dass sich die Anzahl kritischer Berichte über die Agrar- und Ernährungswirtschaft im Laufe eines Jahres fast verdoppelt hat – auf insgesamt 2 171 kritische Veröffentlichungen, die 2022 erfasst wurden. Dabei würde man meinen, dass durch die Coronapandemie und den Ukrainekrieg das Thema Versorgungssicherheit wieder mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung gerückt ist und damit auch die Bedeutung der Landwirtschaft. Eine mögliche Erklärung für die trotzdem täglich aufploppenden negativen Schlagzeilen sieht die AFC in den öffentlich kontrovers geführten Diskussionen der Politik über Tierhaltung, Klima- und Umweltschutz.
Darüber hinaus ist ein weiterer Grund mit Sicherheit ebenso die zunehmende Entfremdung von Bevölkerung und Landwirtschaft. Das belegen auch die Ergebnisse einer Studie, die der Deutsche Bauernverband im Rahmen der Kampagne „Zukunftsbauer“ in Auftrag gegeben hat. Dabei wurden sowohl Verbraucher als auch Landwirte befragt und die Ergebnisse zeigen: Landwirte und Verbraucher werden sich immer fremder und leben in Parallelwelten. Deshalb sind Aktionen wie die Höfetour, die am vergangenen Pfingstwochenende in Kempen stattgefunden hat (siehe S. 48), so wichtig. Nach langer Coronapause gibt es in diesem Jahr auch endlich wieder eine neue Rheinische Kartoffelkönigin, die im Rahmen der Höfetour ihren ersten Auftritt hatte und die Frühkartoffelsaison eröffnete. Sie wird nun ein Jahr lang Öffentlichkeitsarbeit für Kartoffelanbau und -vermarktung im Rheinland machen.
Doch die große Aufgabe, Landwirtschaft und Verbraucher wieder näher zueinanderzubringen, kann niemand alleine bewältigen. Die ganze landwirtschaftliche Branche ist gefragt. Da es in diesem Jahr keine Einschränkungen mehr durch die Coronapandemie gibt, kann und muss das Thema Öffentlichkeitsarbeit wieder verstärkt in Angriff genommen werden. Natürlich ist Zeit immer ein knappes Gut, gerade wenn jetzt über die Sommermonate viel Arbeit auf den Feldern und Wiesen wartet. Aber gerade dann sind die Menschen auch vermehrt zu Fuß oder mit dem Fahrrad draußen unterwegs. Also sollten die Landwirtinnen und Landwirte diese Chance nutzen und sich ein paar Minuten Zeit nehmen, um vom Traktor abzusteigen und am Feldrand ins Gespräch zu kommen.
Einige scheuen sich davor, mehr über ihre Arbeit und ihren Betrieb preiszugeben, weil sie befürchten, dass von Verbrauchern vor allem kritische Themen wie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln oder die Trennung von Kuh und Kalb angesprochen werden. Oder sie wollen noch unwissende Verbraucher erst gar nicht auf diese Themen aufmerksam machen. Dabei ist es doch viel besser, wenn die Menschen von den Landwirtinnen und Landwirten aus erster Hand erfahren, warum sie gewisse Dinge so handhaben. So ist die Chance, auf Verständnis und Einsicht zu stoßen, deutlich größer, als wenn Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen über die Landwirtschaft ausschließlich aus den Medien beziehen, die wie oben beschrieben häufig negativ berichten. Wer trotzdem eher redescheu ist, kann alternativ Informationsschilder an Feld- und Weiderändern aufstellen. Diese Schilder bieten zum Beispiel der Verein information.medien.agrar oder der Bundesverband Rind und Schwein an.
Es gibt viele Möglichkeiten, Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Eine davon haben die Landwirte Jochen Kanders und Klaus Weber genutzt, indem sie an dem Aktionstag „Landwirt für einen Tag“ des Forums Moderne Landwirtschaft teilgenommen haben. In der letzten Ausgabe der LZ haben wir im Interview mit den beiden und ihren Tagespraktikanten darüber gesprochen, wie sie den gemeinsamen Tag auf dem Hof erlebt haben. Auch in den sozialen Medien gibt es einige Landwirte, die ihre tägliche Arbeit zeigen. Aber es muss nicht immer ein Account mit Tausenden von Abonnenten sein. Den ein oder anderen Bekannten oder Nachbarn können Landwirtinnen und Landwirte auch über ihren Whatsapp-Status erreichen, wenn sie dort hin und wieder über ihre Arbeit berichten. Dass der Wille da ist, Kindern, aber auch Erwachsenen Landwirtschaft zu vermitteln, zeigt ebenso die große Nachfrage nach der Ausbildung Bauernhoferlebnispädagogik bei der Landwirtschaftskammer. Am Ende ist es egal, ob durch Gespräche, Infoschilder, Hofführungen, Aktionstage, soziale Medien oder pädagogische Angebote – wichtig ist nur, dass alle an einem Strang ziehen und sich daran beteiligen, die Gräben zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern zu überwinden.