25.04.2023

Landwirtschaft ist mehr

Katrin John

Die Landwirtschaft steht immer wieder am Pranger für Umweltschäden und Verstöße gegen das Tierwohl. Bei diesen Anschuldigungen werden die Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe für die Nachhaltigkeit und das Gemeinwohl gerne vergessen oder sind vielen schlichtweg nicht bekannt.

Landwirte verschmutzen das Grundwasser, sind aufgrund des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln schuld am Artenschwund und verursachen durch die Tierhaltung massive Treibhausgasemissionen und Tierleid. Diese Vorwürfe kommen in gesellschaftlichen Diskussionen immer wieder auf den Tisch und sind uns allen nur zu gut bekannt. In einer ökonomischen Betrachtung werden diese Kritikpunkte als externe Kosten der Landwirtschaft bezeichnet. Das heißt, dass die wahren Kosten der Lebensmittelproduktion sich nicht im Preis der Lebensmittel niederschlagen, weil Umweltschäden bei der Preisbildung keine Berücksichtigung finden.

Das Pilotprojekt „Richtig rechnen in der Landwirtschaft“ der Katholischen Landvolk Bewegung Deutschland (KLB) hat gezeigt, dass die Landwirte aber auch viel für Nachhaltigkeit und Gemeinwohl leisten, was sich ebenso wenig in den Lebensmittelpreisen wiederfindet (siehe Interview ab S. 15). Im Fall der 20 Betriebe, die an dem Projekt teilgenommen haben, waren das insgesamt rund 3 Mio. € pro Jahr an Nachhaltigkeits- und Gemeinwohlleistungen. Dieses Geld haben die Landwirte aufgewendet, um nachhaltig zu wirtschaften. Allerdings haben sie in Summe nur 1 257 939 € Fördermittel aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) erhalten. Die Lücke zwischen erbrachten und honorierten Leistungen ist demnach sehr groß. Daher ist es wichtig, dass die KLB ihre Projektergebnisse nach außen trägt, um Politik, Handel und Verbraucher auf diese Diskrepanz aufmerksam zu machen. Nur so kann irgendwann eine größere finanzielle Wertschätzung der landwirtschaftlichen Produktion erzielt werden, entweder über höhere Lebensmittelpreise oder Fördergelder aus der GAP. Sollten dann eines Tages tatsächlich mehr Nachhaltigkeitsleistungen durch GAP-Mittel vergütet werden, kann man an die Entscheidungsträger nur appellieren, dass sich die dafür zu erbringenden Nachweise möglichst nahe an der Buchführung der Betriebe orientieren müssen, um möglichst wenig zusätzliche Bürokratie zu verursachen.

Mit dem Begriff Nachhaltigkeit verbinden viele in erster Linie Umwelt- und Klimaschutz. Doch das ist nur ein Aspekt. Deshalb wurden in dem Projekt der KLB bei den Berechnungen der erbrachten Leistungen nicht nur ökologische Aspekte berücksichtigt, sondern auch die Dimensionen Regionalökonomie und Soziales. In den Kategorien „Beschäftigungsverhältnis & Arbeit“ sowie „Regionale Vernetzung“ haben die Betriebe besonders gut abgeschnitten und konnten einen hohen Nachhaltigkeitsgrad vorweisen. Nachholbedarf wurde in der sozialen Kategorie „Betrieb in der Gesellschaft“ identifiziert, in der Punkte wie Inklusion, Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund, Geschlechterverhältnis, Hoftage und Veranstaltungen mit Schulen abgefragt wurden. Allerdings könnten zu dem nicht ganz so guten Abschneiden auch Einschränkungen durch die Coronapandemie beigetragen haben. Darüber hi­­naus haben die befragten Landwirte die Rückmeldung gegeben, dass unter dieser Kategorie auch ihr ehrenamtliches Engagement berücksichtigt werden sollte.

Ich bin fest davon überzeugt, dass die landwirtschaftlichen Betriebe in der Nachhaltigkeitsdimension Soziales noch besser abschneiden können. Würde bei einer erneuten Befragung auch das Ehrenamt abgefragt, würde sich das mit Sicherheit positiv auf das Endergebnis auswirken, da sich viele Landwirtinnen und Landwirte in Vereinen, der Kirche, der Feuerwehr oder anderweitig engagieren. Doch nicht nur damit tragen sie zu einer intakten Gemeinschaft im ländlichen Raum bei, sondern zum Beispiel auch durch aktive Brauchtumspflege beim gemeinsamen Bau von Karnevals- oder Erntewagen in den Scheunen der Betriebe. Wenn Not am Mann oder an der Frau ist, sind Landwirtinnen und Landwirte häufig die ersten Ansprechpartner im Dorf und ziehen bei Schneewetter Autos aus dem Graben oder helfen dem Nachbarn mit dem entsprechenden Werkzeug oder Gerät aus. Außerdem bieten immer mehr Betriebe Bauernhoferlebnispädagogik an und vermitteln so Wissen über die Landwirtschaft, machen Öffentlichkeitsarbeit für den ganzen Berufsstand und obendrein vielen Kindern eine Freude.

Das sind einige Beispiele von vielen, die zeigen, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb so viel mehr ist als nur ein wirtschaftliches Unternehmen. Diese Vielschichtigkeit erschwert die Betrachtung und vor allem die Bewertung von Nachhaltigkeit. Trotzdem oder gerade deshalb ist es so wichtig, dass sich Projekte wie das der KLB dieses Themas annehmen und so für mehr Sichtbarkeit und hoffentlich auch mehr Wertschätzung der Leistungen landwirtschaftlicher Betriebe sorgen.