Mein und Dein
Die Zeiten werden rauer. So scheint es. Gefühlt gibt es immer mehr Diebstähle oder Vandalismus, bei denen landwirtschaftliche Betriebe die Zielscheibe sind. Manchmal macht Gelegenheit Diebe und die sind sich nicht einmal einer Schuld bewusst, manchmal muss man von gezielt geplanten Straftaten ausgehen. In allen Fällen gilt: Wachsam sein und Hab und Gut vor Übergriffen schützen!
In Brandenburg will ein Landwirtsehepaar Flächen, die nicht viel hergeben, für einen Solarpark zur Verfügung stellen. Prompt werden Betriebsfahrzeuge mit Nägeln beschädigt. In Uedem waren nicht nur die Reifen eines Spinatvollernters Ziel unbekannter Täter. Vor wenigen Tagen richteten sie an der Maschine derartige Schäden an, dass für sachdienliche Hinweise zum Ergreifen der Täter eine fünfstellige Summe als Belohnung ausgesetzt wurde (siehe S. 12). Ich weiß nicht, wie Ihnen dabei zumute ist, liebe Leserinnen und Leser, aber mir machen solche Ereignisse Sorgen. Denn diese beiden aktuellen Fälle verlängern bloß die Liste an Berichten über Übergriffe auf Besitz und Eigentum landwirtschaftlicher Betriebe, von denen man in den vergangenen Jahren gelesen oder gehört hat. Eine verlässliche Statistik über solche Delikte gibt es allerdings nicht.
Die Kriminalstatistiken führen Vandalismus und Eigentumsübergriffe, bei denen Landwirtinnen und Landwirte sowie ihre Betriebe Opfer sind, nicht separat auf. Dürftig fällt daher auch die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentsanfrage zum Thema Straftaten gegen Landwirte und/oder landwirtschaftliche Betriebe aus. Immerhin räumt man dort aber ein, dass „dem Bundeskriminalamt (BKA) das Phänomen des Diebstahls von GPS-gesteuerten Parallelfahrsystemen bei land- und forstwirtschaftlichen Maschinen bekannt“ ist. Einen Anhaltspunkt, wie verbreitet Straftaten gegen landwirtschaftliche Betriebe sind, gibt eine Onlinebefragung der Freien Universität Berlin. Danach sind 61 % von über 450 Befragten aus dem ganzen Bundesgebiet schon einmal bestohlen worden; bei 10 % waren es Maschinen, bei 37 % einzelne Teile oder Ersatzteile. Keine Aussage kann die Untersuchung dazu treffen, ob solche Delikte zugenommen haben.
Medienberichte und die eigene Wahrnehmung lassen dies zwar vermuten. Dieser gefühlte Trend kann aber auch daher rühren, dass die Fälle, über die berichtet wird, spektakulärer und dreister werden. Deutlich wird das an einigen aktenkundigen Diebstählen aus diesem Jahr: 2 000 kg Pflanzenschutzmittel in der Nähe von Göttingen, Solarmodule und Wechselrichter im Wert von gut 250 000 € in Bayern, Forstmaschinen im Wert von 500 000 € im Harz, 29 Kühe und Kälber von einer Weide in einer Bauerschaft in Westfalen. Hinter solchen Vergehen steckt mutmaßlich ein geplantes Vorgehen, bei dem Örtlichkeiten und Wert der Beute zuvor akribisch ausgekundschaftet und die nötige Logistik, um sich schnell mit der Beute davonzumachen, akkurat vorbereitet worden sind. Meist dürfte schon ein Abnehmer bereit gestanden haben, der das Diebesgut vielleicht flugs außer Landes gebracht hat. Offene Grenzen machen es möglich. Das jedenfalls legt eine Studie aus Großbritannien nahe, die vermutet, dass infolge des Handelsembargos vermehrt gestohlene Ersatzteile für Agrar- und Baumaschinen nach Russland geschmuggelt werden. So etwas setzt organisierte Strukturen voraus.
Die gibt es sicher auch dort, wo nicht Betriebsmittel unrechtmäßig den Besitzer wechseln, sondern landwirtschaftliche Betriebe um die Früchte ihrer Arbeit beraubt werden. Auch da gab es in den vergangenen Jahren aufsehenerregende Fälle, wo ganze Weinberge oder Getreidefelder über Nacht abgeerntet wurden. Die kriminelle Energie, die dahinter steckt, weisen diejenigen meist weit von sich, die im Vorbeigehen ein paar Äpfel vom Baum pflücken, in der Selbstbedienungshütte oder am Selbstpflückfeld vergessen, Geld in die Kasse zu werfen. Kavaliersdelikte sind auch das nicht. Genauso wenig wie das Aufbrechen oder das mutwillige Zerstören von Verkaufsautomaten, von dem immer häufiger zu hören ist.
Über die Ursachen kann man in all diesen Fällen nur spekulieren. Weil Betriebsmittel und Maschinen teurer werden, lohnt es sich für die Übeltäter immer mehr. Auch die Preissteigerungen bei Lebensmitteln dürften bei manchen Zeitgenossen die Hemmungen, zwischen Mein und Dein zu unterscheiden, sinken lassen. Für Sachbeschädigungen gibt es sicher unterschiedliche Motive: zum Beispiel Neid und Missgunst, möglicherweise aber auch Ärger darüber, dass ein geplanter Raub missglückt ist. Eines gilt aber für alle diese Delikte: Landwirte, Landwirtinnen und ihre Familien sollten wachsam bleiben, wenn sich ungebetene Gäste auf dem Feld und am Hof tummeln, und alle Möglichkeiten ausschöpfen, ihr Eigentum zu schützen. Denn das Eigentum hat nicht nur für sich einen Wert, es dient schließlich dazu, Werte zu schaffen, von denen Sie und Ihre Familie leben wollen.