Preisgipfel erreicht – und nun?
Mächtig angezogen haben die Milcherzeugerpreise im vergangenen Jahr. Aber die Milcherzeuger dürften sich jetzt auf sinkende Auszahlungspreise einstellen müssen. Die Branche hat weiter mit einer Reihe von Unwägbarkeiten zu kämpfen.
„Nein, ich habe es nicht für möglich gehalten“, sagte mir kürzlich ein Milcherzeuger. Und gemeint hat er die hohen, ja sehr hohen Milchpreise, die das vergangene Jahr ihm und seinen Berufskollegen beschert hat. Sogar die 60-Cent-Marke wurde teilweise geknackt. Das sind Milchpreise, die fast 50 % über dem Niveau der Vorjahre liegen. Nach wie vor kaum vorstellbar. Aber die historischen Auszahlungspreise dürften nicht weiter anhalten und auch die Molkereiprodukte im Lebensmitteleinzelhandel (LEH) dürften ihre Preisspitze erreicht haben. Grund zur Sorge für die Milcherzeuger? Nein. Jedenfalls geht man bei der Landesvereinigung Milch NRW davon aus, dass die Milchpreise auch weiterhin im Vergleich zu früheren Jahren ein hohes Niveau erreichen werden (siehe S. 11).
Dennoch startet der Milchmarkt in diesem Jahr in einem schwächeren Umfeld. Die Preise für Butter und Magermilchpulver haben sich von ihren zuvor erreichten Spitzenwerten mittlerweile deutlich entfernt. Inzwischen wird in Deutschland sowie EU-weit und auch in den USA mehr Milch angeliefert, das höhere Angebot trifft aber auf eine nach wie vor weltweit schwache Nachfrage. Wie sich dies auf die Milcherzeugerpreise auswirken wird, bleibt abzuwarten. Jedenfalls ist die Marktentwicklung derzeit recht undurchsichtig.
Die Marktentwicklung ist die eine Sache, aber es gibt noch andere Unwägbarkeiten und Herausforderungen, mit denen die Milcherzeuger konfrontiert sind:
Die Produktionskosten: Die Milcherzeuger wie auch alle anderen Landwirte sind weiterhin mit überbordenden Kosten konfrontiert bei Energie, Diesel und Düngemitteln. Hinzu kommen für die Tierhalter höhere Futtermittelpreise. Auch belasten hohe Produktions- und Energiekosten weiterhin die Molkereien.
Klima: Der Klimawandel lässt sich nicht leugnen. Geringere Niederschläge und längere Dürreperioden führen verstärkt dazu, dass sich die Milcherzeuger Sorgen machen müssen wegen ihrer Futtervorräte.
Inflation: Die Kaufkraft geht bei steigender Inflation zurück und dann werden günstigere Produkte verstärkt nachgefragt. Das trifft auch Milch und Milchprodukte.
Milchimitate: Während der Absatz wichtiger Milchprodukte wie Butter, Joghurt, Käse und insbesondere Trinkmilch im vergangenen Jahr im LEH gesunken ist, nahm er aber bei den Milchimitaten zu. Marktbedeutung hat hier insbesondere die Konsummilch auf pflanzlicher Basis. Die Milchbranche ist dabei weiter gefordert, die besonderen Vorteile ihrer Milch gegenüber dem Verbraucher zu kommunizieren. Dies ist insbesondere Aufgabe der Initiative Milch, die speziell hierfür gegründet wurde.
Politik: Auflagen von Baurecht bis Kälbertransport erhöhen derzeit den Druck auf die Milcherzeuger. Hinzu kommt die politische Diskussion rund um das Thema Tierwohl. Jedenfalls steht die Branche der Einführung der staatlichen Tierhaltungskennzeichnung skeptisch gegenüber. Insbesondere die fehlende europäische Lösung bereitet ihr Bauchschmerzen.
Unwägbarkeiten hin oder her. Viele lassen sich nicht beeinflussen. Aber die Politik, sie kann zumindest etwas tun, um den Druck zumindest teilweise von der Milcherzeugung zu nehmen. Sie muss jetzt schnell Entscheidungen treffen, damit die Betriebe endlich wieder planen und möglicherweise auch investieren können. Im Moment gibt es allerdings in der Tierhaltung und das gilt auch für die Milcherzeugung einen Investitionsstau, der nicht nur durch die Lieferkettenproblematik und fehlendes Material verursacht wird, sondern auch durch die fehlende Verlässlichkeit der Politik. Die Milchbranche ist jedenfalls bereit, einen noch nachhaltigeren Weg mitzugehen. Die erheblichen Mehraufwendungen dafür müssen jedoch entweder über den Milchpreis oder über gezielte Zahlungen ausgeglichen werden. Geschieht dies nicht, wird der Strukturwandel in der deutschen Milchwirtschaft weitergehen oder sogar noch schneller voranschreiten. Das sollte die Politik nachdenklich stimmen, denn ohne Milchkühe und Rinder sind auch unsere Grünlandregionen ernstlich in Gefahr. Das ist nicht von der Politik gewollt, oder?