Sich groß fühlen durch Kleinmachen
Umgangssprachlich versteht man unter einem „Narzissten“ einen Menschen, der ausgeprägten Egoismus, Arroganz und Selbstsüchtigkeit an den Tag legt und sich anderen gegenüber rücksichtslos verhält. Kritik ertragen diese Menschen nicht und Misserfolg kann sie in schwere Krisen stürzen, so das gängige Bild. Doch Narzissmus ist vielschichtiger. Wir haben dazu Dr. Bärbel Wardetzki befragt, die sich seit vielen Jahren mit Narzissmus in der Partnerschaft beschäftigt.
LZ | Rheinland: Wenn ein Mensch sehr von sich überzeugt ist, arrogant wirkt und keine Kritik verträgt, dann heißt es schnell: Der ist ein Narzisst.
Dr. B. Wardetzki: Ich stehe dem Begriff Narzisst sehr kritisch gegenüber. Denn Narzissmus ist etwas ganz Menschliches. Jeder von uns hat narzisstische Anteile. Narzissmus betrifft die Selbstliebe und das Selbstwertgefühl. Das ist durchaus etwas Gutes. Es ist dabei normal, dass wir das Grundbedürfnis haben, unseren Selbstwert zu stärken, und mal mehr, mal weniger Selbstwertgefühl haben. Wenn wir gelobt werden, steigt das Selbstwertgefühl, wenn wir kritisiert werden, uns nicht richtig verstanden oder nicht ernst genommen fühlen, dann sinkt es. Mit diesem Selbstwertgefühl müssen wir uns jeden Tag neu auseinandersetzen und es ausbalancieren. Genau diese Fähigkeit fehlt Menschen mit einer narzisstischen Struktur. Ihnen fällt es schwer, ihren eigenen Selbstwert zu erkennen und zu regulieren. Sie brauchen immer wieder die Bestätigung und die Anerkennung von außen, um ihr Selbstwertgefühl aufzubauen.
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