08.11.2023

Was blüht uns da?

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Dieser Monat hat es in sich. Für die Landwirte in Europa und damit auch im Rheinland stehen Entscheidungen an, die weitreichende Folgen für die Betriebe haben können.

Ist es Ihnen aufgefallen? In jüngster Zeit melden die Medien, die sich an die Landwirtschaft richten, immer öfter, dass wieder jemand Vorschläge hat, wie die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU künftig aussehen sollte. Eben erst hat ein Agrarprofessor aus Kiel seine Vorstellungen dazu formuliert (siehe S. 11). Im Kern geht es ihm darum, dass die Betriebe sich aus einem Katalog aussuchen können, mit welchen Maßnahmen sie etwas für den Schutz von Klima, Artenvielfalt oder Gewässern tun wollen und diese Leistung bezahlt bekommen. Ganz neu sind die Ideen nicht. Sie ähneln Vorschlägen, die schon vor Monaten der Deutsche Landschaftspflegeverband unter dem Titel Gemeinwohlprämie gemacht hat. Auch hier geht es darum, dass die Betriebe Geld dafür bekommen, dass sie von der Gesellschaft erwünschte Leistungen erbringen. Dagegen ist nichts einzuwenden, zumal der Ansatz in Form des kooperativen Naturschutzes im Rheinland schon seit Jahrzehnten erfolgreich praktiziert wird. Aber die Tücken stecken in einem entscheidenden Punkt. An dem krankt auch die Inanspruchnahme einiger Öko-Regelungen in der aktuellen GAP-Förderperiode, die im Rheinland im ersten Antragsjahr äußerst bescheiden ausgefallen ist. Aber nicht nur hier. Überall in Deutschland, wo Boden und Klima den Anbau landwirtschaftlicher Kulturen begünstigen und in Normaljahren für auskömmliche Erträge sorgen, sind Maßnahmen wie zum Beispiel die Bereitstellung von Biodiversitätsflächen ganz weit hinter den Erwartungen der Administration zurückgeblieben. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Sie können dort mit den meisten Feldfrüchten eben wirtschaftlich nicht mithalten.

Das hat wohl auch Bundesagrarminister Cem Özdemir zwischenzeitlich kapiert und kürzlich ein Diskussionspapier zur nationalen GAP-Umsetzung vorgelegt. Demnach will er mehr Geld aus der ersten in die zweite Säule umschichten und das Budget für die Öko-Regelungen erhöhen. Das soll mehr Spielraum für die Dotierung einzelner Maßnahmen bringen. Ob das deren Attraktivität für fruchtbare Standorte erhöht, ist allerdings fraglich. Denn Özdemir hat gleich zwei neue Öko-Regelungen hervorgezaubert, die auch bezahlt werden wollen. Das alles gibt Diskussionsstoff für den 21. November. Dann wollen die Agrarministerinnen und Agrarminister der Länder das mit ihm auf einer Sondersitzung (siehe S. 10) diskutieren. Kritik wurde im Vorfeld schon deswegen laut, weil die Umschichtung zulasten der Basisprämie gehen wird und somit weiter an der Einkommensstützung geknabbert wird. Eines lassen die Vorschläge Özdemirs und all der anderen zur Zukunft der GAP nach der aktuellen Förderperiode aber erahnen: Das bisherige Zwei-Säulen-Modell gerät immer mehr ins Wanken. Bis dahin sollten die Betriebe aber mit dem verlässlich planen können, was ihnen gerade erst vorgesetzt worden ist. Das ist schon kompliziert genug (das Debakel bei der Auszahlung von GAP-Prämien in einigen Bundesländern hat auch darin seine Ursache); jetzt daran zu schrauben, würde es nicht besser machen.

Dass es besser wird, darauf muss man auch bei der anstehenden Abstimmung über die Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, kurz SUR, im EU-Parlament am 22. November hoffen. Nachdem sich der Umweltausschuss in weiten Teilen den Extremforderungen seiner Berichterstatterin, der ehemaligen Fernsehköchin Sarah Wiener, angeschlossen hat, steht zu befürchten, dass den Landbewirtschaftern in Europa ein weiterer dicker Brocken in den Weg gelegt wird. Schon mit dem Gesetz zur Wiederherstellung der Natur (Nature Restoration Law) hat das Parlament kaum ein Einsehen für deren berechtigte Interessen gezeigt. Nun scheint in diesen Tagen der Trilog, also die Verhandlung über das Gesetz zwischen Kommission, Rat und Parlament dazu, zum Abschluss zu kommen. Da gibt es dann wohl nicht mehr viel zu retten. Bei der SUR bleibt dagegen noch ein wenig Zeit, die intensiv genutzt werden sollte, um wieder und wieder deutlich zu machen, dass es zwar geht, zum Beispiel mit intelligenter Technik, besseren Wirkstoffen oder neuen Züchtungstechniken, den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel deutlich zu verringern, dass es aber auch nicht ohne sie geht.