Wenig Spielraum
Molkereien haben bei der Preissetzung für das Milchgeld nur geringen Spielraum. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Thünen-Instituts für Marktanalyse im Rahmen einer Evaluierung der Lieferbeziehungen zwischen milcherzeugenden Betrieben und Molkereien. Denn die Molkereien stünden nicht nur selber unter Wettbewerbsdruck. Sie könnten es sich angesichts der positiven Größeneffekte in der Produktion auch nicht leisten, Liefermengen zu verlieren, indem sie die Auszahlungspreise unter die Kosten der effizienten Erzeuger sinken lassen. Die Forscher widersprechen damit dem Vorwurf, Molkereien würden ihre Marktmacht nutzen, um Rohmilchpreise zu drücken. Für ihre Studie befragten die Thünen-Wissenschaftler Expertinnen und Experten aus Molkereien und Milcherzeugergemeinschaften nach möglichen Stellschrauben, um die Preisfindung stärker im Interesse der Milcherzeuger zu gestalten.
Laut den Thünen-Marktexperten stehen die Molkereien unter erheblichem Preisdruck, weil der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) vor allem die Preise der Nicht-Markenprodukte unter die der direkt von den Molkereien bezogenen Spezialitäten drückt. Die Preise für die Massenware würden weitgehend an den internationalen Märkten bestimmt, heißt es in der Thünen-Analyse. Je nach Lage an diesen Märkten und Ausrichtung der Molkereien zahlten mal die einen und mal die anderen Molkereien mehr für die Rohmilch. Für die Forderung, den Milchpreis stärker an den Produktionskosten zu orientieren, sehen die Wissenschaftler daher wenig Umsetzungspotenzial. Sie weisen darauf hin, dass die Produktionskosten ohnehin indirekt in die Preisbildung eingingen. Ihrer Einschätzung nach würde eine direkte Berücksichtigung hingegen mit hohen Transaktionskosten einhergehen und Fragen aufwerfen, wie die jeweils maßgeblichen Produktionskosten zu bestimmen seien. Außerdem würden die Marktteilnehmer solche individuellen Vertragsvereinbarungen aus Gründen der Transparenz und des Vertrauens überwiegend ablehnen.
Den Autoren zufolge können die Milcherzeuger ihre eigene Situation jedoch durch Effizienzsteigerungen oder Qualitätsdifferenzierung verbessern. Betriebsvergleiche zeigten zudem, dass viele Betriebe noch erhebliche Produktivitätsreserven hätten. Die Wissenschaftler sehen darin eine wichtigere Stellschraube als die Beeinflussung der Auszahlungspreise, um die Wettbewerbsfähigkeit auf der Erzeugerseite insgesamt zu steigern.
AgE