Wie ernähren wir uns in Zukunft?
Bereits zum vierten Mal fand am 5. Mai die „Lange Nacht der Ernährung“ des Vereins Ernährung-NRW statt. Die Veranstaltung wurde in der Rohrmeisterei in Schwerte abgehalten und bot eine Gelegenheit für Mitglieder des Vereins sowie Interessierte aus Unternehmen, Verbänden und Institutionen aus der nordrhein-westfälischen Ernährungswirtschaft, des Lebensmittelhandwerks und Lebensmittelhandels, sich zu vernetzen und sich über aktuelle Themen der Land- und Ernährungswirtschaft zu informieren. Das breit gefächerte Themenspektrum umfasste gesellschaftspolitische Betrachtungen der Landwirtschaft, die neuesten Social-Media-Trends der Agri-Influencer-Branche und Fragen, wie wir uns in 20 Jahren ernähren werden.
Umsatzstärkste Branche
Landwirtschafts- und Verbraucherschutzministerin Silke Gorißen betonte in einer Videobotschaft die Bedeutung der Ernährungsindustrie in Nordrhein-Westfalen, die die umsatzstärkste in Deutschland ist. Die Landesregierung begleitet die Land- und Ernährungswirtschaft auf dem Weg zu einer sozial, ökologisch und ökonomisch nachhaltigen Lebensmittelproduktion auf vielfältige Weise. Dazu gehört die Unterstützung einer vielfältigen Regionalvermarktung in NRW, die das Image der qualitativ hochwertigen und abwechslungsreichen Lebensmittel aus NRW steigert und die Sichtbarkeit der großen und kleinen Betriebe erhöht. Dabei arbeitet sie eng mit dem Verein Ernährung-NRW zusammen, der Betriebe und Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft in jeder Branche und auf jeder Stufe vernetzt und sich der wichtigen Zukunftsthemen der Branche annimmt. Die Ministerin dankte vor allem dem ehrenamtlich arbeitenden Vorstand für sein Engagement.
„Nirgendwo prallen urbanes Lebensgefühl und ländliche Wirklichkeit so hart aufeinander wie beim Thema Landwirtschaft. Während Stadtmenschen das Ursprüngliche suchen und erschrocken auf Bilder der ‚Agrarindustrie‘ reagieren, erfahren sich Bauern als Getriebene von Verbrauchern und Weltmarkt“, so Dr. Andreas Möller, Leiter Unternehmenskommunikation, Politik, Marke bei Trumpf SE & Co. KG. Er hob hervor, dass die Landwirtschaft ein wichtiger Seismograf für die Gesellschaft ist und ebenso gefordert ist wie andere Branchen auch. Er forderte einen richtigen Blick auf die Branche, in der sich die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit beispielsweise in der Haltung gegenüber Pflanzenschutzmitteln zeigt, die einerseits auf den Äckern verteufelt und andererseits im Baumarkt für den privaten Gebrauch großzügig angeboten werden. Es gilt zu hinterfragen, was die Gesellschaft wirklich braucht und was sie sich wünscht.
Ein Instagram-Auftritt, der ankommt
Annemarie Paulsen, eine Bäuerin und Agri-Influencerin aus der Uckermark, zeigte, wie Social Media erfolgreich in der Landwirtschaft eingesetzt werden kann. Mit viel Witz und Leichtigkeit bringt sie manch eine Eigenart, die es so wohl nur auf landwirtschaftlichen Betrieben gibt, auf die Social-Media-Plattform Instagram. Sie nutzt Instagram, um ein Bewusstsein für Lebensmittel zu schaffen und die Menschen hinter der Produktion zu zeigen. Das Feedback bei Instagram gibt ihr recht. In vielen Kommentaren werden ihr Fragen gestellt und eine große Anerkennung entgegengebracht. Mit ihrem Konzept, sich in kurzen Videosequenzen darzustellen, bedient sie augenzwinkernd Klischees aus der Landwirtschaft und begeistert junge Menschen für den Beruf der Landwirtin und des Landwirts.
Norbert Baumeister regte das Publikum zum aktiven Mitmachen und zur Reflexion an, indem er als Verkaufstrainer und Fleischsommelier erklärte, wie eigene und vorhandene Ressourcen besser erkannt und genutzt werden können. Dazu rief er das Publikum zum Mitmachen auf.
In seinem Vortrag mit dem Titel „Kuh, Schwein, Star Trek: Warum die Ernährungsindustrie vor dem größten Wandel aller Zeiten steht“ erklärte Prof. Dr. Nick Lin-Hi, Zukunftsforscher und Professor für Wirtschaft und Ethik an der Universität Vechta, die Notwendigkeit von Sprunginnovationen für eine nachhaltige Entwicklung und eine enkeltaugliche Gesellschaft zu nutzen. Er betonte, dass wir in die Zukunft schauen müssen, um erfolgreich zu sein, da die Zyklen „vom Weltmarktführer zum Looser“ immer kürzer würden.
Prof. Lin-Hi prognostizierte, dass in 20 Jahren das weltweit größte Fleischunternehmen vegan sein wird. Er ist der Meinung, dass wir vor dem letzten Jahrzehnt der Nutztierhaltung zur Erzeugung von Lebensmitteln stehen und dass Sprunginnovationen eine disruptive Wirkung auf bestehende Märkte und Geschäftsmodelle haben können. Sie lassen sich aber auch in den Dienst einer nachhaltigen Ernährungsproduktion stellen, die wichtig ist, um unseren ökologischen Fußabdruck zu optimieren. In vitro erzeugtes Fleisch scheint hier die Lösung zu sein, so seine Annahme: „Es hat den gleichen Geschmack wie herkömmliches Fleisch, ist gesünder, nachhaltiger, tierwohlkompatibel und günstiger.“ Prof. Lin-Hi betonte, dass Nachhaltigkeit mit Mehrwert statt Verzicht möglich ist. Sein Fazit: „Meine Enkelkinder werden mich fragen, ob wir früher wirklich Fleisch von echten Tieren gegessen haben.“
Ernährung-NRW