Zu schön, um wahr zu werden?
RWZ und BASF haben sich zu einer Partnerschaft zusammengefunden. Damit wollen die beiden Unternehmen einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Sie wollen aber auch eine neue Partnerschaft in der Lebensmittelkette etablieren.
„Für den Mehrwert, den man schafft, muss auch mehr erlöst werden.“ Das sagte kürzlich jemand, der in seinem Leben schon für Mühlenkonzerne, Kaffeeröster und Backwarenhersteller gearbeitet hat und der in seiner heutigen Position feststellen dürfte, dass auch hier die Margen nicht üppig sind. Ein Umstand, der seinem wichtigsten Kundenkreis nicht fremd ist. So kann sicher jede Landwirtin und jeder Landwirt ohne Zögern unterstreichen, was Christoph Kempkes, Vorstandsvorsitzender der Raiffeisen Waren-Zentrale Rhein-Main (RWZ), noch gesagt hat: Er träume davon, dass für alle mehr übrig bleibt. Wobei mit alle diejenigen gemeint sind, die Hand anlegen für die Erzeugung hochwertiger Lebensmittel. Heute wird gerne von der Food Value Chain oder einer Wertschöpfungskette gesprochen. Genauso gerne wird unterstellt, dass das vorletzte Glied der Kette am meisten Wert abschöpft.
Mit der RWZ und der Agrarsparte des Chemieunternehmens BASF treten nun zwei Unternehmen gemeinsam an, um das zu ändern. Dabei setzen sie ihren Hebel an einem Thema an, an dem heute fast niemand vorbeikommt: dem Klimaschutz. Ziel ihres gemeinsamen Projekts „KlimaPartner Landwirtschaft“ ist es, den CO2-Fußabdruck auf dem Acker zu reduzieren. Der Start soll mit Winterweizen erfolgen, weil der mit fast 3 Mio. ha in der Bundesrepublik die wichtigste Ackerkultur ist. Noch ein Grund für die Wahl dürfte aber auch darin liegen, dass das Reduktionspotenzial groß ist, Erfolge sich also rasch einstellen dürften; schließlich ein weiterer: Als klimafreundlich ausgelobtes Mehl muss man bisher im Lebensmittelhandel mit der Lupe suchen. Eine echte Marktlücke also. Getreidehändler bescheinigen der Mühlenwirtschaft auch ein großes Interesse. Die wiederum stellt fest, dass sich bei der Verbraucherschaft die Perspektive von der eigenen Gesundheit hin zur Gesundheit des Planeten gewandelt hat. So jedenfalls war es zu hören, als RWZ und BASF in der Vorwoche verkündet haben, dass im Rahmen ihres Projekts im Herbst 40 000 ha Weizen klimafreundlich bestellt werden sollen (siehe S. 11) und die Betriebe dafür einen Bonus gezahlt bekommen.
Dieser Aufschlag soll die Mehrkosten abdecken, die mit der klimafreundlicheren Bewirtschaftung verbunden sind. He-reinkommen soll er im Idealfall wieder über den Handel mit CO2-Zertifikaten sowie über eine Mehrzahlungsbereitschaft der Verbraucher. Damit kommt wieder der Gedanke der Lebensmittelkette ins Spiel und die Frage auf, welche Rolle das vorletzte Glied – der Lebensmitteleinzelhandel (LEH) – dabei spielt. Das Muster ist bekannt. Der LEH gibt vor zu wissen, was das letzte Glied der Kette, die Verbraucherschaft, will, und fordert deshalb von seinen Lieferanten, diverse Vorgaben zu erfüllen. Manchmal mit kleinen Preiszugeständnissen, öfter mit der Ansage: „Wenn ihr das nicht liefern könnt, dann kann es ein anderer.“ Wie diese Anforderungen in der Kette weitergegeben werden, ist bekannt. Beispiele finden sich zuhauf: bei Obst und Gemüse oder Speisekartoffeln, Milch und Molkereiprodukten oder Fleisch.
Direkt gekniffen sind dabei die Landwirte, indirekt aber auch die, die an der Food Value Chain im weiteren Sinne hängen: die Vorlieferanten der Landwirtschaft, also Unternehmen wie zum Beispiel die RWZ und BASF. Die bekommen mittelbar auch zu spüren, wenn ihre Kunden den Preisdruck aus dem LEH zu spüren bekommen oder politische Entscheidungen den Spielraum einengen. Insofern ist es konsequent, wenn RWZ und BASF und (was beide ausdrücklich nicht ausschließen) weitere Partner der Kette versuchen, den Spieß umzudrehen, und aus der Kette heraus Mehrwerte definieren oder Standards etablieren. Die gebündelte wirtschaftliche Potenz kann durchaus helfen, die Verhältnisse in der Lebensmittelkette mehr ins Gleichgewicht zu bringen – vor allem wenn solche Unternehmen nicht alleine, sondern im Schulterschluss auftreten. Und sie können noch etwas erreichen, was mindestens genauso wichtig ist, wie Mehrerlös für Mehrwert zu erstreiten. Gemeinsam und mit aktiver Beteiligung der Landwirtschaft finden die Kettenglieder eher Antworten auf vielfältige Anforderungen, die Verbraucher wirklich haben oder haben könnten. Und das enger an der Praxis orientiert als jegliche Vorgaben, die Einkäufer des LEH oder Referenten von Ministerien im stillen Kämmerlein ersinnen, und egal zu welcher Fragestellung: Wie geht mehr Tierwohl, wie weniger Pflanzenschutz oder wie mehr Klimaschutz? Die Antwort: Über Mehrwert aus der Praxis mit mehr Wert für die Praxis.