Zwei Mal unentschieden
In der vergangenen Woche sollte es Antworten auf zwei brennende Fragen geben. Wie sieht Brüssel die Zukunft des Wirkstoffs Glyphosat? Was hat Umweltministerin Steffi Lemke mit dem Wolf vor? Antworten gab es zwar. Die Betroffenen wissen trotzdem noch nicht, wohin die Reise geht.
Wolf und Glyphosat waren in der vergangenen Woche wichtige Themen für die Landwirtschaft. Über den Zeitpunkt hinaus gibt es noch mehr gemeinsame Nenner. Einer ist, dass nach wie vor keine bindenden Entscheidungen vorliegen, sondern die Hängepartien andauern. Der andere ist, dass einzelne Beteiligte rumlavieren, statt sich klar zu bekennen. Verständlich ist das nicht. Es erklärt sich höchstens daraus, dass der schwelende Dissens in der Ampelkoalition zwischen grün und liberal nicht weiter angefacht werden soll. Dabei ist es kein Geheimnis: Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat ein größeres Herz für Wölfe als für Nutztierhalter und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will zwar kein Glyphosat, aber er will auch kein großes Aufsehen, um seine Aussichten auf den Posten als Ministerpräsident in Baden-Württemberg nicht zu gefährden.
Bleiben wir zunächst bei Özdemir. Der zuständige Ausschuss der EU hat vergangenen Freitag wieder kein eindeutiges Votum für oder gegen eine Verlängerung des Herbizidwirkstoffs Glyphosat abgegeben. Deutschland hat sich dabei der Stimme enthalten, vermutlich aus Rücksicht auf den Regierungspartner FDP. Dabei ist bereits im Koalitionsvertrag vereinbart worden, Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt zu nehmen. Über die Pflanzenschutzmittel-Anwendungsverordnung sind zudem schon die Regelungen für weitgehende Einsatzbeschränkungen angelegt. Der Schritt zum nationalen Totalverbot wäre nicht weit. Allerdings muss die Bundesregierung bei einer anderslautenden Entscheidung auf EU-Ebene rechtliche Konsequenzen befürchten. Özdemir scheint für den Fall schon mal vorzubauen. Jetzt verweist er auf fehlende Daten über die Auswirkungen von Glyphosat auf die Biodiversität und begründet damit die deutsche Enthaltung. Denn seine grundlegende Ablehnung kann er mit anderen Argumenten nicht verteidigen. Damit bleibt ihm aber noch eine politische Rückzugsposition gegenüber seiner Klientel. Und die EU bekommt den Schwarzen Peter zugeschoben, da gegenwärtig solche Biodiversitätsprüfungen kein Bestandteil von Zulassungsverfahren für Pflanzenschutzmittel und -wirkstoffe sind.
So in etwa verfährt gerade auch seine Parteikollegin Steffi Lemke. Schon vor Wochen hat die Bundesumweltministerin publikumswirksam für Anfang Oktober Vorschläge angekündigt, wie künftig mit Wölfen umzugehen ist, wenn die auffällig werden. Der große Wurf ist aber ausgeblieben. Denn ihre Vorschläge haben etliche Lücken. Ein klaffendes Loch ist beispielsweise, dass Lemke dafür das Bundesnaturschutzgesetz nicht anpacken will. Das wäre aber dringend nötig. Einmal, um eine europarechtskonforme Umsetzung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU hinzubekommen. Die wiederum könnte dafür sorgen, in Deutschland festzustellen, dass die Wolfspopulation hier längst den erhaltungswürdigen Umfang überschritten hat. Laut dem offiziellen Monitoring gab es 2022/23 deutschlandweit mehr als 1 300 Individuen; manche Experten gehen gar von noch mehr Tieren aus. Der zweite Grund liegt darin, dass das Bundesgesetz zwingend angepasst werden müsste, um ein wirkliches Bestandsmanagement zu etablieren, das auch Entnahmen ohne vorausgehende Übergriffe ermöglicht.
Für ihre Vorschläge wurde Lemke von gewissen Kreisen gefeiert. Denn die rechnen ihr an, dass sie damit zwei Interessenlagen zu versöhnen sucht: den Wolf zu schützen und dabei gleichzeitig die Risiken für die Weidehaltung zu minimieren. Aber auch sie schiebt den Schwarzen Peter in Wahrheit anderen zu, nämlich den Bundesländern. Die sollen via Umweltministerkonferenz ihre Vorschläge absegnen – wohlwissend, dass jeder Beschluss solcher Konferenzen nur Empfehlungscharakter hat und nicht verbindlich ist.
Zwei Mal nichts entschieden – mehr Klarheit, worauf sich Betroffene einstellen müssen, hat die vergangene Woche also nicht gebracht. Weder beim Wolf noch bei Glyphosat. In beiden Fällen kommt es nun auch auf die EU an. Bei Glyphosat, wie die Kommission zu ihrem Vorschlag steht, die Zulassung um zehn Jahre zu verlängern. Beim Wolf, ob die von der EU-Kommissionspräsidentin geforderten Daten zu den Wolfspopulationen in den Mitgliedstaaten bestätigen, was offensichtlich ist: dass die europäische Population in Gänze längst die Größe hat, dass der Bestand nicht mehr als gefährdet gelten kann und es daher an der Zeit ist, überall ein verlässliches Bestandsmanagement zu etablieren.