Zuckerrüben Journal 04/2018

6 | Zuckerrübenjournal LZ 50 · 2018 | A K T U E L L E S | P O L I T I K M A R K T B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R | A lle reden vom freien Zuckermarkt. Doch wie sieht er konkret aus? Gibt es ihn überhaupt? Im Gegensatz zu vielen anderen landwirtschaft- lichen Rohstoffmärkten ist der Zucker- markt vor allem durch viele Wettbe- werbseingriffe, durch Handels- und Zollabkommen sowie andere nationale Alleingänge gekennzeichnet. Nachfolgend die gängigsten Markt- eingriffe im Überblick: ◾ Die EU lässt Präferenzeinfuhren aus verschiedenen Ländern mit be- schränkten, unbeschränkten, zoll- freien und zollreduzierten Einfuhr- kontigenten, wie zum Beispiel die Entwicklungsländer (EBA) und die Länder aus dem afrikanischen und karibischen Raum (AKP-Länder), die westlichen Balkanstaaten oder auch die sogenannten CXL-Quoten (Quoten mit ermäßigtem Zollsatz) aus Brasilien, zu. ◾ Für Einfuhren aus sonstigen Län- dern gilt der Regelzollsatz als Au- ßenschutz (Zoll in Höhe von 419 €/t Weißzucker und 339 €/t Rohzucker). ◾ Hauptanbau und -exportländer wie zum Beispiel Brasilien, Thailand, Australien, Indien und Mexiko sub- ventionieren direkt und indirekt die Zuckerproduktion und ihre Zucker- exporte. Allein von daher bleibt der Außenschutz unerlässlich. Aber wer garantiert, dass der in den genann- ten Ländern produzierte Zucker nicht über „Umwege“, zum Beispiel über Länder mit unbeschränkten Einfuhrmöglichkeiten, in die EU ge- langt? ◾ Innerhalb der EU werden in vielen Ländern an den Zuckerrübenan- bau gekoppelte Beihilfen im Wert von mehreren 100 €/ha gezahlt, in Rumänien beispielsweise 600 €/ ha, in Spanien und Polen etwa 400 €/ha. ◾ Innerhalb der EU gibt es weitere Wettbewerbsverzerrungen wie zum Beispiel unterschiedliche Anwen- dungsverbote oder Zulassungen für Pflanzenschutzmittel, so sind Neo- nikotinoide in Deutschland nicht erlaubt, in vielen anderen EU-Län- Chaos auf dem Zuckermarkt dern werden diese Mittel aber zu- gelassen. Diese Aufzählungen stellen beispiel- haft dar, dass weltweite Markteingrif- fe und auch Wettbewerbsverzerrun- gen innerhalb der EU den heimischen Zucker- und Zuckerrübenmarkt enorm belasten und zu einer unkal- kulierbaren Erlössituation führen. Festzustellen ist: Politische Einflüsse stören und verzerren oft den von der Politik (angeblich) gewollten freien Zuckermarkt, nachdem die wesentli- chen Marktordnungselemente wie Quoten und Mindestpreise für Zu- ckerrüben weggefallen sind. Erschwe- rend kommt hinzu, dass die Zucker- verkäufer der Fabriken auf dem neu- en, „heißen“ Pflaster stark verunsi- chert sind, kann man doch die Ein- käufer und Wettbewerber nicht einschätzen, da es an jahrelanger Erfahrung fehlt. Die einstige Wohl- fühloase „Zuckermarktordnung“ for- dert jetzt ihren Tribut! In diesem Spannungsfeld bewegen sich die Zuckerfabriken und die einzel- nen Zuckerrübenanbauer und zumin- dest die Letztgenannten haben kaum einen Überblick auf dem Zuckermarkt. Die aktuelle Situation führt zu einer großen Verunsicherung bei den An- bauern und erschwert deren individu- elle Anbau- und Vermarktungsent- scheidungen. Der Welt- und EU-Zuckermarkt Seit September geht eine steigende Zahl von Analysehäusern von einem Defizit auf dem Weltmarkt aus, so F.O. Licht und LMC. Die jüngsten USDA- Zahlen vom November 2018 zeigen noch einen leichten Überschuss der Produktion gegenüber dem Verbrauch. Nach einer Anpassung der Anfangs- und Handelsbestände wachsen die Endbestände auf 52 Mio. t Zucker, das sind rund 1 Mio. t mehr als im letzten Wirtschaftsjahr und dies entspricht ei- nem Stock to use Ratio, also den End- beständen von knapp 30 %. Der Stock to use Ratio liegt damit auf einem rela- tiv hohen Niveau im Vergleich der letzten 20 Jahre und ist weit entfernt vom Stand in den Hochpreisjahren 2008 bis 2011 mit einem Stock to use Ratio von unter 20 %. Sollten sich je- doch die Prognosen von F. O. Licht und LMC bestätigen, kann sich die Situa- tion am so genannten Weltmarkt auch schnell wieder ändern. Auf dem EU-Markt wird bereits heu- te deutlich, dass die Versorgungslage eng wird. Zwar geht man auch in der EU im Wirtschaftsjahr 2018/19 noch von einer Überproduktion aus, diese liegt jedoch mit unter 1 Mio. t deutlich niedriger als im letzten Wirtschaftsjahr. Durch Korrekturen der Anfangsbilanz und der Handelszahlen sollen die End- Von freiemWelt- markt kann keine Rede sein – fast überall wird sub- ventioniert oder gefördert. Foto: Imago

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