Zuckerrübenjournal 04/2013 - page 6

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Zuckerrübenjournal
LZ 50 · 2013
| A K T U E L L E S | P O L I T I K
M A R K T
B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R |
Sinkt der Zuckerpreis auf
demWeltmarkt weiter?
Der Feind hoher Preise sind hohe Preise. Diese Marktregel gilt für viele Produkte, so
auch für den Zucker. Das Interesse, Zucker zu produzieren, wurde von den hohen Prei-
sen der Vergangenheit angefacht. Daraufhin wurden die Anbauflächen ausgedehnt.
Wenn dann, wie derzeit, hohe Erträge in den wichtigsten Anbauregionen hinzukom-
men, entstehen schnell Überschüsse, die auf den Markt drängen und den Preis wieder
sinken lassen. Genau diese Situation ist in den vergangenen Monaten eingetreten.
V
or allem Brasilien, das Land mit
dem höchsten Exportvolumen
weltweit, fährt derzeit eine sehr gute,
je nach weiterem Ernteverlauf mögli-
cherweise sogar eine Rekordernte ein.
Auch in Indien, einem sehr großen Zu-
ckerverbraucher, wird erneut mit einer
Ernte gerechnet, die einen Export von
Zucker ermöglicht. Noch vor wenigen
Jahren war dieses Land ein großer
Zuckerimporteur. Ebenfalls größere
Exportmengen werden aus Thailand
erwartet. China, das von jeher auf Im-
porte angewiesen ist, wird nach der-
zeitigem Kenntnisstand weniger Zu-
cker benötigen, weil die eigene Pro-
duktion ebenfalls gut ausfällt, siehe
Grafik 1.
In Europa wird zwar mit einer klei-
neren Ernte gerechnet, weil zum einen
die Anbauflächen reduziert wurden,
zum anderen die Erträge – nach zwei
Rekordjahren in Folge – vermutlich ge-
ringer ausfallen werden. Stellt sich die
Frage, wie sich der Weltmarktpreis
weiter entwickeln und welche Auswir-
kungen dies auf den europäischen Zu-
ckermarkt haben wird.
Weniger Exporte aus Brasilien
Ursprünglicher Auslöser für die hohen
Preise waren zwei unterdurchschnitt-
liche Ernten in Folge in Brasilien, so-
dass weniger Exportmengen zur Verfü-
gung standen (Grafik 2).
Typische Importeure sahen sich da-
raufhin in anderen Ländern um, die
mit höheren Preisforderungen reagier-
ten. Dies betraf auch die Europäer, die
für die Differenz zwischen eigener Er-
zeugung und dem tatsächlichen Ver-
brauch für importierten Rohzucker
mehr zahlen mussten, um die erforder-
Welche Rolle spielt Ethanol?
Für die nahe Zukunft ist keine Ände-
rung dieser Situation zu erwarten. Fak-
toren, die wieder zu höheren Preisen
führen könnten, sind derzeit rar. Eine
bedeutende Rolle spielt dabei Ethanol,
das in großen Mengen in den USA und
Brasilien produziert und auch ver-
braucht wird. Während in den USA le-
diglich 10 % beigemischt werden, sind
die Fahrzeuge in Brasilien darauf aus-
gelegt, auch höhere Anteile im Treib-
stoff zu verwerten. Die dortige Regie-
rung hat schon vor Jahrzehnten die
Voraussetzungen dazu geschaffen und
so fahren dort mit Abstand die meisten
Flex-Fuel-Fahrzeuge. Sinken die Zu-
ckerpreise, so ist es für die Verarbeiter
von Zuckerrohr lohnender, Ethanol
statt Zucker herzustellen. Auf diese
Weise wird das Angebot an Zucker
wieder verringert.
In den USA wird Ethanol vorrangig
aus Mais, in Europa aus Weizen oder
Zucker hergestellt. Da aber die Preise
für Getreide und Mais weltweit gesun-
ken sind, entsteht eine Konkurrenz-
situation innerhalb der Kohlenhydrate
Stärke und Zucker. Hier wird sich ein
neues Preisgleichgewicht einstellen
müssen, damit Zucker wieder die Nase
vorne hat. Zudem ist in den USA der
Anteil des zugemischten Ethanols poli-
tisch gedeckelt worden, sodass der
jährliche Mehrverbrauch jetzt wesent-
lich langsamer ansteigt. Pläne, die Bei-
mischung auf 20 % zu erhöhen, wurden
nach der schlechten Maisernte im ver-
gangenen Jahr verworfen. Ähnliche
Diskussionen gibt es auch in Europa.
Dies könnte sich ändern, wenn der
Rohölpreis wieder deutlich steigen
In Brasilien wird
möglicherweise
wieder eine
Rekordernte beim
Zuckerrohr
erwartet.
Grafik 1: Zuckerimport China
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Mai 13
Mio. t Rohwert
lichen Mengen zu bekommen. Zeitwei-
se entstand sogar ein physischer Eng-
pass, weil sich die Vorratsläger leerten,
die neue Kampagne noch nicht begon-
nen hatte und der erforderliche Roh-
zucker nicht wie vereinbart fristge-
recht eintraf. Diese Situation hat sich
nun aufgrund der weltweiten Über-
schüsse nahezu ins Gegenteil verkehrt.
Wie gesagt: Der Feind hoher Preise
sind hohe Preise.
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