Frauen und Hofnachfolge
Noch immer muss ich mich an den Gedanken, „Eigentümerin des Genholter Hofes“ zu sein, gewöhnen. Die vielen Glückwünsche von Ihnen, unseren Gästen, Kunden und Partnern, helfen aber bei der Eingewöhnung. Auch wenn ich zuletzt ein Gespräch mit einer Gästin in unserem Hofcafé hatte, das mich echt stutzig machte und das ich daher hier gerne kurz wiedergeben möchte:
Von einer Dame wurde ich auf die Hofnachfolge angesprochen. Sie gratulierte mir zu dem mutigen Schritt, diese anzutreten, sprach aber gleichzeitig auch ihr Mitleid aus. Ich stuztet: „Mitleid“, fragte ich, „wofür?“ „Nun ja, wie ich gelesen habe, sind Sie keine gelernte Landwirtin. Oder haben Sie einen Partner, der Landwirt ist?“ Okay, das hatte es in sich. Denn was genau tut es hier zur Sache, ob ich einen Partner habe oder nicht? Und erst recht, ob dieser dann Landwirt, Bankkaufmann oder Friseur ist?
Zur Erinnerung: Als ich mich dazu entschloss, den Hof zu übernehmen, gab es an meiner Seite weder meinen Freund Philipp noch unseren angestellten Agrarbetriebswirt. Ich habe den Hof also übernommen, weil ich weiß, was ich kann und was ich sein will, nämlich Unternehmerin. Und in dieser Position habe ich die Möglichkeit, ja sogar fast die Pflicht, abzuwägen, wie ein Bereich wie der der Landwirtschaft sich auf unserem Hof rentiert und durch welche personellen Entscheidungen ich diese weiterführen (lassen) möchte.
Mir ist bewusst, dass die Dame mir damit allein ihren eigenen Glaubenssatz „Eine Frau alleine kann keinen Betrieb (und schon gar nicht einen landwirtschaftlichen) erfolgreich führen“ mitgeteilt hat und ich diesen nicht annehmen muss und auch nicht werde. Aber leider habe ich in den letzten Jahren feststellen müssen, dass viel zu viele Menschen genau diese oder ähnliche Vorurteile hegen und ich hier, wie immer im Leben, zwei Möglichkeiten habe. Entweder ich schlucke meine wahren Gedanken runter und mache gute Miene zum bösen Spiel oder aber ich mache den Mund auf und zeige mutig, dass es auch anders als „Das war aber immer schon so“ geht.
Und genau hier sind wir an dem Punkt, der mich motiviert: den Mund aufzumachen und damit ein Vorbild für (junge) Frauen zu sein, den eigenen Weg in die Landwirtschaft zu finden. Ganz unabhängig davon, welche Rolle sie auf den Höfen einnehmen wollen, welche Betriebsgröße der Hof hat und mit welcher (Aus-)Bildung im Gepäck sie losgehen. Und dann selbstbewusst und mutig genug zu sein, die Stimme zu erheben und ebenfalls wieder ein Vorbild für weitere Frauen zu sein. Ganz nach einem Zitat von Serena Williams: „Der Erfolg einer jeden Frau sollte die Inspiration einer weiteren bedeuten. Wir sollten ei-nander nach oben helfen.“ Christina Ingenrieth