Die Lage spitzt sich zu
Die Situation rund um den Wolf hat sich im Rheinland in den letzten Wochen drastisch verschärft. Zum einen wurde mit dem nun offiziell nachgewiesenen Riss einer Kuh in Hürtgenwald eine neue Dimension von Wolfsübergriffen erreicht. Zum anderen häufen sich seit Mitte Juli die Risse im Wolfsgebiet Schermbeck. Spätestens jetzt sollte jedem klar werden, dass kein Weg an Wolfsentnahmen vorbeiführt.
Kein Weidetier ist sicher vor dem Wolf. Das zeigt der Wolfsangriff in Hürtgenwald, bei dem eine hochtragende Kuh Mitte Juni auf einer hofnah gelegenen Weide so schwere Bissverletzungen erlitt, dass sie eingeschläfert werden musste. Leider war es nur eine Frage der Zeit, bis Wölfe auch hier ausgewachsene Rinder angreifen, denn in anderen Bundesländern ist das schon länger traurige Realität. Auch im Wolfsgebiet Schermbeck spitzt sich die Situation weiter zu. Vom 19. Juli bis zum 30. August kam es in der Region zu 16 mutmaßlichen Wolfsangriffen, bei denen 37 Schafe getötet wurden. Fünf dieser Übergriffe ereigneten sich trotz vorschriftsmäßig umgesetztem Herdenschutz. Das bestätigt wieder mal: Der Herdenschutz ist gescheitert und kein Weidetier ist sicher, solange auffällige Wölfe nicht entnommen werden.
Auch wenn noch nicht eindeutig per DNA-Analyse nachgewiesen ist, dass ein Wolf die zahlreichen Schafe in den letzten Wochen getötet hat, sprechen die Bilder der durch Kehlbisse getöteten Schafe für sich. Niemanden würde es wundern, wenn das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) bald bekannt geben würde, dass die Wölfin GW954f die Schafe getötet hat. Denn auf das Konto des Gloria genannten Tieres gehen bekanntlich zahlreiche Nutztierrisse. Trotzdem ist es bis heute nicht zu einer Entnahme gekommen, was unverantwortlich ist. Dazu beigetragen haben nicht zuletzt diverse Naturschutzorganisationen, die mit allen Mitteln versuchen, einen Abschuss zu verhindern. Unter anderem der BUND hatte im Februar mittels Eilantrag erwirkt, dass das Oberverwaltungsgericht Münster den Abschuss der Wölfin verbietet, nachdem der Kreis Wesel eine Abschussgenehmigung erteilt hatte. Auch der NABU hat sich in der Vergangenheit wiederholt gegen einen Abschuss ausgesprochen. Stattdessen hat der Verband immer wieder auf den Herdenschutz verwiesen und Tierhalter beschuldigt, dass sie ihre Tiere nicht ausreichend schützen würden. Das erreichte seinen Höhepunkt, als der Vorsitzende des NABU-Kreisverbandes Wesel, Peter Malzbender, in einer Pressemitteilung einen 85-jährigen Ponyhalter, dessen Pony von einem Wolf gerissen worden war, beschuldigte, dass er seiner Fürsorgepflicht nicht nachgekommen sei. Er warf dem Tierhalter vor, dieser habe den Wolf „mit lebendem Huftier“ angefüttert, weil die Weide nicht mit einem sogenannten wolfsabweisenden Zaun eingezäunt war.
Mittlerweile scheint aber sogar Peter Malzbender eingesehen zu haben, dass im Fall von Gloria Herdenschutz keine ausreichende Lösung ist. Während eines Pressetermins am Donnerstag vergangener Woche zur aktuell dramatischen Risssituation im Wolfsgebiet Schermbeck (siehe S. 12) sprach er sich für den Abschuss der Wölfin aus, sollte sie tatsächlich für die jüngsten Risse verantwortlich sein. Außerdem bemängelte er, dass es zu lange dauere, bis das LANUV die Ergebnisse der DNA-Untersuchungen bekannt gibt. In diesem Punkt kann man ihm nur zustimmen. Im Fall der gerissenen Kuh in Hürtgenwald sind zwischen dem Wolfsriss und der Bekanntgabe des DNA-Nachweises sechs Wochen vergangen. Das ist viel zu lange! Das zeigt auch die aktuelle Situation im Schermbecker Wolfsgebiet: Seit Wochen werden in kurzen Abständen Schafe gerissen, aber es liegen noch keine DNA-Nachweise vor. Dabei wäre es so wichtig, Klarheit über den Verursacher der Risse zu haben, vielleicht würde es dann endlich zu einer Entnahme kommen.
Auf dem Pressetermin vergangene Woche sprachen wieder mal alle anwesenden Politiker den Schafhaltern ihre Unterstützung aus. Das war auch vor über zwei Jahren der Fall, als das Gahlener Bürgerforum kurz vor den NRW-Landtagswahlen eine Podiumsdiskussion zu der damals neuen Wolfsverordnung und dem Schermbecker Rudel veranstaltete. Heute wissen wir, dass es sich dabei nur um Lippenbekenntnisse gehandelt hat, denn die Situation der Weidetierhalter hat sich bisher nicht verbessert. Es bleibt also nur zu hoffen, dass die Politik jetzt endlich reagiert und den gesetzlichen Rahmen so anpasst, dass Wolfsentnahmen praxistauglich möglich werden.
Eine Entnahme sollte auch dann möglich sein, wenn Gloria nur indirekt für die aktuellen Risse verantwortlich ist, weil einer ihrer Nachkommen ihr Jagdverhalten erlernt und die Schafe gerissen hat. Das wäre durchaus realistisch, denn das LANUV teilte am Montag mit, dass der männliche Wolf GW4002 m – ein Nachkomme der Wölfin – in Hünxe und Schermbeck nachgewiesen wurde. Wenn tatsächlich nicht Gloria die zahlreichen Schafe getötet hat, wird es aber wohl leider auf die altbekannte politische Tatenlosigkeit hinauslaufen. Da ist uns Bayern einen Schritt voraus, denn dort wurde vor wenigen Tagen der erste Wolf offiziell entnommen. Davon können die Weidetierhalter im Rheinland aktuell nur träumen.