Konsequenz in Transparenz
Aldi prescht mal wieder beim Thema Tierwohlkennzeichnung vor. Vor Jahren schon unter dem Motto Haltungswechsel bei verschiedenen Lebensmitteln gestartet, sollen die Verbraucher nun im Laden schon von Weitem sehen, wo das Fleisch aus unterschiedlichen Haltungsstufen im Kühlregal liegt.
Vor gut vier Jahren hat Aldi Süd seine Initiative #Haltungswechsel gestartet. Damals hat sich der Discounter das Ziel gesetzt, bis 2030 sein Sortiment an Frischfleisch sowie gekühlten Fleisch- und Wurstwaren und Trinkmilch vollständig auf Herkünfte aus den Haltungsstufen 3 (Frischluft/Außenklima) oder höher umzustellen. Aldi Süd nutzt dabei das fünfstufige Siegel der Initiative Tierwohl (ITW). Eigenen Angaben zufolge kommt frisches Putenfleisch in den Theken des Unternehmens heute zu 100% aus den Stufen 3, 4 oder 5. Ebenfalls zu 100% entspricht das frische Rindfleisch diesen Haltungsstufen. Bei anderem Frischfleisch beläuft sich der Umsatzanteil ausweislich der Unternehmenswebsite auf die Hälfte.
Erkennbar sind die Tierhaltungsstufen auf den Verpackungen. Bisher lagen dabei die Waren aus den verschiedenen Stufen säuberlich getrennt nach Fleischart–Schwein, Rind, Geflügel–im Kühlregal. Jetzt räumt Aldi Süd sein Sortiment um und sortiert sein Angebot, anders als der restliche Lebensmittelhandel, nach Haltungsstufen. In den ersten Läden liegen nun Schweinefleisch, Rindfleisch und Geflügelfleisch aus Stallhaltung (Stufe 1) neben solchem aus Haltungsstufe 2 in blau gekennzeichneten Kühlschränken. Daneben, grün umrahmt, finden die Verbraucherinnen und Verbraucher künftig Fleisch aus den höheren Haltungsstufen–also Rind, Schwein und Geflügel aus Außenklimahaltung, Freilandhaltung und Biohaltung. So will Aldi Süd eigenen Aussagen zufolge es den Käufern leichter machen zu erkennen, wo sie herkömmliche Ware und wo sie Ware aus höheren Haltungsstufen finden.
Ganz konsequent ist der Discounter dabei allerdings nicht. Denn Hackfleisch–egal, welcher Tierart und welcher Haltungsstufe–findet sich nur im grünen Bereich. Außerdem gibt es noch einen dritten Farbsektor, der rot gekennzeichnet ist. Dort soll, wenn die Umstellung in allen Läden bis Ende Juli erfolgt ist, dann Angebotsware präsentiert werden.
Nicht nur die eben genannten Unschärfen zwischen den Farbbereichen zeigen, so richtig zu Ende geht Aldi Süd den Weg nicht. Vielleicht schwingt auch eine gewisse Unsicherheit mit und man traut dem Mantra mancher Interessengruppen doch nicht, wonach die Verbraucherinnen und Verbraucher doch stärker Produkte mit höheren Tierwohlstandards fordern. Das Argument wird schließlich immer aus dem Hut gezaubert, wenn Druck auf Politik und Lebensmittelhandel ausgeübt werden soll, die Schrauben anzuziehen. Die Feststellung, das Mitbürgerinnen und Mitbürger mehr Tierwohl wollen, ist zwar richtig und wird auch von Erzeugerseite nicht bestritten. Sie ist aber nur die eine Seite der Medaille. Mit Vorliebe weisen die NGOs eben nur auf die Wollen-Seite, während sie über die Tun-Seite am liebsten hinweggehen. Auf beide Seiten wirft eine Studie einen Blick, die kürzlich der europäische Dachverband der Verbraucherorganisationen (Bureau européen des unions de consommateurs) veröffentlicht hat. Dieser zufolge befürworten zwar die meisten Befragten eine bessere Haltung und damit höhere Standards. Wenn es ums Geld geht, sieht das Bild jedoch anders aus. Nur ein Drittel würde auch mehr Geld ausgeben. Ein Drittel der Befragten hat sogar angegeben, dass ihnen jetzt schon die Lebensmittelkosten zu schaffen machen.
Auch wenn die Aktion von Aldi Süd offensichtlich unter anderem getrieben ist von Marketingkalkül und ihr durch die gemeinsame Präsentation mehrerer Haltungsstufen in Blau (schlechter) und Grün (besser) die Trennschärfe fehlt, halte ich das Vorgehen für einen spannenden Ansatz. Denn damit lässt es einer der fünf Lebensmitteleinzelhändler, die den größten Marktanteil beim Frischfleischabsatz haben, zu, dass jeder erkennen kann, wo andere zugreifen. Das Bild wird allerdings verzerrt, indem alles, was nicht dem Gros der Erzeugung, also herkömmlichen Haltungsformen, entspricht (Stufen 3, 4, 5), in einen Topf geworfen wird mit absatzstarkem Hackfleisch aus allen Stufen. Das kann den Eindruck erwecken, dass sich im grünen Bereich mehr tut, als es der tatsächlichen Nachfrage entspricht. Sollte sich die Kundschaft allerdings am blauen oder roten Bereich drängeln (was mitunter wegen des aktuellen Preiskampfs von Aldi und Lidl durchaus zu erwarten ist), ist für jeden spürbar, dass ihre Präferenzen doch eher anderer, nämlich monetärer Natur sind. Ich bin daher sehr gespannt, wie das Experiment ausgeht und wie es womöglich das leidige Hin und Her beim staatlichen Tierhaltungskennzeichen beeinflusst.