20.03.2024

Landwirtschaft kann es

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Das Umweltbundesamt hat gerade neue Zahlen zum Treibhausgasausstoß in Deutschland veröffentlicht. Die Landwirtschaft macht zwar keine so großen Fortschritte mehr wie in den vergangenen Jahren. Stolz dürfen Bäuerinnen und Bauern trotzdem sein, dass sie seit den 1990er-Jahren über ein Viertel eingespart haben und die politischen Zielmarken erreichen.

Statistiker sind gemeinhin sehr genaue Menschen. Doch manchmal machen sie es dem normalen Mitbürger nicht so leicht, das eine mit dem anderen zu vergleichen. Das gilt leider auch für Statistiken, die Bundesländer, Bundesrepublik, Europäische Union und internationale Organisationen erstellen. Das hat mit Unterschieden in den Erhebungs- und Auswertungsmethoden zu tun. Das hat aber auch mit der Trägheit der Instanzen zu tun. Bilden die aktuellsten Zahlen schon meist nicht den Zustand von gerade eben ab, sind aggregierte Zahlenwerke erst recht nicht taufrisch. Nicht anders ist es im Fall von Daten zum Ausstoß klimarelevanter Gase. Daher tut man gut daran, sich nicht an absoluten Zahlen allein festzubeißen, sondern auch die langjährige Entwicklung zu betrachten.

Das gilt genauso für die Daten, die das Umweltbundesamt (UBA) jüngst zum Treibhausgasausstoß veröffentlicht hat. Erfreulich ist an den Zahlen: 2023 hat die Landwirtschaft ihren Ausstoß erneut gesenkt – laut UBA um 6,5 % auf insgesamt 60,3 Mio. t. Damit hätte sie das Einsparziel von 67,4 Mio. t für 2023 schon übererfüllt. Schreitet die Entwicklung so fort, dann erreichen die Betriebe in Deutschland das von der Bundesregierung vorgegebene Ziel für 2030 von 58 Mio. t locker schon früher. Und davon darf man ausgehen, wenn man den Trend der vergangenen Jahrzehnte zugrunde legt. Von 1990 bis 2023 sind die Emissionen klimarelevanter Gase (umgerechnet in CO2-Äquivalente) in der Landwirtschaft um 27,6 % zurückgegangen. Betrachtet man die drei relevantesten Klima­gase – Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O) –, beträgt die Reduzierung laut UBA von 1990 bis 2022 ebenfalls mehr als ein Viertel.

Das sind eigentlich gute Nachrichten. Die schlechte: Trotzdem wird der Beitrag der Landwirtschaft zum Gesamtaus-stoß an klimarelevanten Gasen immer wieder größer dargestellt als er eigentlich ist. Das beruht vor allem da­­rauf, dass die Landwirtschaft die Hauptquelle für Methan und Distickstoffoxid ist, die vor allem in der Tierhaltung beziehungsweise bei der Düngung entstehen und als klimawirksamer als Kohlendioxid eingestuft werden. Das führt zu einer Überbetonung der Bedeutung der Landwirtschaft. Denn selbst nach den ungünstigsten Berechnungen des UBA liegt ihr Beitrag an den gesamten Klimagasemissionen in Deutschland (gemessen in CO2-Äquivalent und unter Einbeziehung landwirtschaftlich genutzter früherer Moorflächen) nicht über 10 %. Eine solche Überzeichnung dürfte auch Ursache dafür sein, dass im Ernährungssektor das Thema CO2-Fußabdruck derart in die Höhe gespielt wird, wie es gerade geschieht. Klimaneutralität ist zum Verkaufsargument bei fast jeder Nahrungsmittelgruppe geworden. Dass die Urproduktion gegenüber dem, was an anderer Stelle der Nahrungsmittelkette passiert, weitaus weniger Klimagase beiträgt, fällt unter den Tisch. Auch vor Ernährungsempfehlungen macht dieser Hype nicht halt – obwohl der CO2-Fußabdruck mit dem Nährwertprofil von Lebensmitteln und den täglichen Bedarfen an Energie, Protein oder Mineralstoffen und Vitaminen so viel zu tun hat wie ein Wischmopp mit dem Ölwechsel am Traktor – nämlich nichts!

Für solche Entwicklungen gibt es leider eine einfache Erklärung. Die meisten Menschen sehen nur zu gerne die Verantwortung bei anderen, bevor sie die bei sich sehen. Statt mit dem Fahrrad Zigaretten zu holen und nicht mit dem Autor oder das Rauchen ganz aufzugeben, soll doch bitte schön erst einmal der Bauer mehr auf Klimaneutralität achten. Der Handel springt da nur zu gerne drauf. Manche Klimaschleuder bekommt er nicht so kostengünstig in den Griff, aber dafür hat er Routine darin, die Anforderungen an die Erzeuger höher zu schrauben.

Trotzdem tut die Landwirtschaft gut daran, ihren Ausstoß an Klimagasen weiter zu senken. Die Aufgabe geht alle an. Bleiben Sie aber selbstbewusst, wenn mal wieder wer auf die Landwirtinnen und Landwirte zeigt. Dafür gibt es zwei Argumente. Das erste: Kein anderer Sektor hat in den vergangenen Jahrzehnten so stark seine Emissionen gesenkt wie die Landwirtschaft, so stark, dass die Politik gar erwägt, mit dem Einsparbonus den Malus anderer Sektoren auszugleichen. Warum sollte das in Zukunft anders sein? Das zweite: Land- und Forstwirtschaft sind die einzigen Sektoren, die CO2 binden. Dazu braucht es nicht einmal Statistiken, das ist Biologie.