Richtig wichtig: Wählen
Wissen Sie schon, wem Sie am 23. Februar Ihre Stimme geben wollen? Wenn nicht, sind Sie nicht alleine. Aktuellen Auswertungen verschiedener Forschergruppen zufolge ist jede vierte zur Wahl berechtigte Person noch unentschlossen. Wenn Sie dazu gehören, dürfen Sie jetzt dennoch keine Wahlempfehlung von mir erwarten. Das hat mehrere Gründe. Zum einen verbietet sich das einfach für ein parteipolitisch unabhängiges Medium. Zum anderen gehöre ich selbst noch zu den Unschlüssigen. Schließlich gehe ich davon aus, dass mündige Bürgerinnen und Bürger sich schon selbst ein Bild davon machen, was von den Parteien, die zur Wahl antreten, zu halten oder zu erwarten ist. Immerhin sind laut Bundeswahlleiterin 41 Vereinigungen für die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag anerkannt – davon zehn, die seit den zurückliegenden Wahlen ununterbrochen mit mindestens fünf Mandaten im Bundestag oder einem Länderparlament vertreten sind.
Aussichten auf Mandate im neuen Bundestag haben nach verbreiteter Meinung aber allerhöchstens sieben Parteien, wenn man mal darüber hinwegsieht, dass sich CDU und CSU als eigenständige, aber verschwesterte Parteien betrachten. Deswegen geben wir in dieser Ausgabe nur wieder, was diese (mit Ausnahme des BSW, Bündnis Sahra Wagenknecht) zu ausgewählten Themen rund um die Landwirtschaft zu sagen haben (ab S. 18). Die Angaben dort gehen auf Aussagen aus den Parteizentralen in Berlin zurück. Aber sie decken nur einen Teil dessen ab, was Wählerinnen und Wähler aus der Landwirtschaft in Zusammenhang mit ihrer Profession bewegt. Und sie decken schon gar nicht ab, dass auch Landwirtinnen und Landwirte sowie ihre Familienangehörigen nicht nur Anliegen für diesen Bereich haben, sondern auch darüber hinaus. Wie ist es denn künftig mit der Abdeckung der ländlichen Räume mit schnellem Internet bestellt? Können Schulen und Kitas auch in ländlichen Kommunen damit rechnen, genauso gut ausgestattet zu werden wie Einrichtungen in den Städten? Wie ist es um die Mobilität auf dem Land oder die medizinische Versorgung bestellt? Über diesen wenigen Beispielen steht vor allem eine Sorge: Werden wir zusehends abgehängt?
„Zusehends abgehängt, zusehends weniger Augenmerk auf meine ganz individuellen Probleme und Ängste” – das lasten in diesem Land quer durch alle Bevölkerungsschichten und Berufsgruppen etliche Menschen der Politik an. Doch die Lösung liegt sicher nicht darin, die Extreme links und rechts der demokratischen Mitte mit dem Kreuz auf dem Wahlschein stärker zu machen. Warum? Weil deren Erzählung, dass alles schlechter wird, allenfalls zu einem Bruchteil stimmt. Ja, es gibt Probleme in diesem Land, die dringend gelöst werden müssen. Aber: Wir dürfen noch frei entscheiden, wem wir deren Lösung zutrauen und wem wir die politische Verantwortung dafür anvertrauen. Und nein, niemand in diesem Land ist wirklich von Verelendung bedroht. Ein weiterer Grund: Wer nicht in der Verantwortung ist und keine Kompromisse aushandeln muss, dem fällt es immer leicht, aus einer Oppositionsrolle heraus den Eindruck zu erwecken, es besser zu wissen und es besser zu machen. Ich meine, es ist schon ein nicht abzusehendes Risiko, Extremen auch nur einen Spaltbreit die Tür zu öffnen, damit sie sich anschließend selbst entzaubern. Ist auch nur ein Wolf im Schafspelz darunter, werden die Folgen verheerend sein.
Aber es darf nicht so bleiben, wie es jetzt ist – das habe ich bei jeder Veranstaltung, die ich in den vergangenen Wochen zum Thema Wahl moderieren durfte, von den Vertreterinnen und Vertretern jeder anwesenden Partei gehört. Auch von denen, die in der zurückliegenden Wahlperiode oder zuvor in Berlin an der Regierung beteiligt waren. Eingeräumt haben sie allesamt auch, dass ihre Parteien Fehler gemacht haben. Den Menschen zu wenig zugehört und ihren Sorgen zu wenig Beachtung gewidmet zu haben, ist einer davon. Deswegen wünsche ich mir ein Wahlergebnis, das in der Mitte der Demokratie verankert bleibt. Und ich wünsche mir Mandatsträgerinnen und Mandatsträger im Bundestag, in den Länderparlamenten und in den Kommunen, die zwischen den Wahlen nahe bei den Menschen bleiben, deren Wohl ganz nach vorne stellen und Vernunft über Ideologie walten lassen. Ein „Weiter wie bisher” darf es in diesem Punkt nicht geben – was sich jetzt noch aufhalten lässt, wird sonst bei den nächsten Wahlen den Damm brechen. Das sollte als Mahnung in dem Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung ganz am Anfang stehen. Welche Parteien daran beteiligt sein werden, liegt in Ihrer Hand, liebe Leserinnen und Leser. Entscheiden Sie daher klug und informieren Sie sich: hier im Heft, in den Wahlprogrammen, bei den Wahlkreisbewerbern oder mithilfe der diversen digitalen Entscheidungshilfen im Internet (zum Beispiel Wahl-O-Mat, wahl.chat, Real-O-Mat oder wahl-kompass), damit Ihre (und meine) Entscheidung nicht erst in der Wahlkabine fällt.