Rundum enttäuschend
Die Getreideernte 2024 ist inzwischen eingefahren. Die Bilanz fällt bescheiden aus. Aber das liegt nicht nur an den nicht zufriedenstellenden Erträgen und Qualitäten.
Wenn man etwas über die diesjährige Getreideernte liest oder jemand danach fragt, dann hört man meist eines: „Es war enttäuschend!“. In der Tat können die Ernteergebnisse nicht begeistern. Der Deutsche Bauernverband (DBV) spricht in seiner Erntebilanz 2024 von einer stark unterdurchschnittlichen Getreideernte. Die 40-Mio-t-Marke beim Getreide wird jedenfalls mit 39,3 Mio. t verfehlt, im Vorjahr waren es noch 42,9 Mio. t. Eine Ursache ist sicherlich die ungünstige Witterung. Mehr Regen als üblich und wenig Sonne haben das aktuelle Getreidejahr begleitet. Allein die schweren Aussaatbedingungen im Herbst haben dazu geführt, dass die Anbaufläche des Winterweizens, der wichtigsten Getreidekultur hierzulande und Lieferant des Brotgetreides, um rund 330 000 ha in Deutschland zurückgegangen ist. Und das allein hat schon Erntemenge gekostet. Bei den anderen Getreidearten sah es nicht besser aus. Auch hier gab es erneut gesunkene Hektarerträge. Und die Qualität des Getreides war in diesem Jahr ebenfalls unbefriedigend.
Enttäuschend für die Landwirte dürften auch die aktuellen Getreidepreise sein. Wurden im vergangenen Jahr für 1 t Weizen noch 320 € gezahlt, liegt der Preis heute nur bei rund 220 €/t. Auf die Preisentwicklung haben die Landwirte allerdings wenig Einfluss und auch mit den Wetterkapriolen müssen sie klarkommen. Fakt ist: Der Klimawandel ist da und darauf müssen wir uns alle einstellen. Dazu sind die Landwirte auch bereit, aber es muss auch die Politik mitspielen und vernünftige Rahmenbedingungen setzen.
Beispiel Pflanzenschutz: Große Sorgen bereitet den Landwirten die Anwendbarkeit von Pflanzenschutzmitteln. Die diesjährigen Witterungsbedingungen haben dabei noch einmal gezeigt, welche Bedeutung der Schutz der Nutzpflanzen vor Krankheiten hat. Der Krankheitsdruck war enorm. Ohne den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wären die Ertragseinbußen noch weitaus höher ausgefallen. Nicht ohne Grund fordert daher DBV-Präsident Joachim Rukwied eine innovationsfreudige Pflanzenschutzregulierung, die einen angemessenen Schutz der Kulturen sicherstellt (siehe S. 12).
Beispiel Düngung: Die restriktive Düngepolitik in Deutschland hat sich in diesem Jahr mit Sicherheit auf die Ernte-ergebnisse ausgewirkt. Sie hat nicht nur zu niedrigeren Erträgen geführt, sondern vor allen Dingen zu Qualitätsverlusten. Aufgrund der mangelnden Stickstoffdüngung insbesondere in den sogenannten roten Gebieten hat der Weizen keine Backqualität erreicht. Mehr Weizen als üblich wird daher im Futtertrog landen. Dabei wollen die Landwirte eigentlich Rohstoffe für qualitativ hochwertige Lebensmittel produzieren. Allen – den Verbrauchern, der Umwelt, dem Klima, den Landwirten und erst recht den Pflanzen – wäre geholfen, wenn die Politik in Sachen Düngung umsteuern würde.
Zugegeben, die niedrigen Getreideerträge in diesem Jahr führen nicht dazu, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher sorgen müssen. Die Mengen sind ausreichend und keiner muss hierzulande Hunger leiden. Nichtsdestotrotz sollte die diesjährige Erntebilanz nachdenklich stimmen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Getreideerträge rückläufig. Insbesondere eine Botschaft aus NRW sollte aufhorchen lassen: In diesem Jahr wurde die schlechteste Weizenernte seit 30 Jahren eingefahren. Es wurden im Durchschnitt nur 71 t/ha geerntet. Dabei kommt der Landwirtschaft eigentlich insbesondere eine Aufgabe zu: Sie soll die Nahrungsversorgung sichern. Aber um das zu tun, müssen auch die politischen Rahmenbedingungen stimmen und hier ist ein Umsteuern dringend erforderlich. Spätestens seit dem Ausbruch von Corona im Jahr 2020 ist eigentlich hinlänglich bekannt, dass die Landwirtschaft systemrelevant ist. Gerade in der Coronazeit haben wir alle erfahren, was wir an der heimischen Landwirtschaft haben: Die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln war immer gewährleistet. Wie heißt ein bekannter Aufkleberspruch? Landwirtschaft dient allen. Das scheint ein bisschen in Vergessenheit geraten zu sein. Aber darauf sollte man sich mehr und mehr zurückbesinnen.