13.03.2024

Wozu die Aufregung?

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes (DBV), hat
am Wochenende in einem Interview mit der Zeitung „Welt am Sonntag“ Kompromissbereitschaft signalisiert. Auch aus den eigenen Reihen hagelte es
daraufhin Kritik – zu Unrecht.
„Wir sind kompromissbereit, wenn es im Gegenzug zu Mehrbelastungen beim Kraftstoff an anderer Stelle zu realen Entlastungen kommt“, so DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken in einem Interview mit der „Welt am Sonntag“. Weiter äußerte er mit Blick auf die zurückliegenden und vielleicht noch möglichen neuen Bauernproteste: „Wir wollen unseren Mitgliedern nicht vorspielen, dass, wer am lautesten schreit, am besten Gehör findet.“ Prompt hagelte es Kritik. Bauernbund, LSV und Freie Bauern in Sachsen Anhalt reagierten mit einer gemeinsamen Erklärung. Darin heißt es unter anderem: „Wir sind doch nicht monatelang gegen diese völlig überzogene und ungerechte Steuererhöhung auf die Straße gegangen, um jetzt kleinlaut zurückzurudern.“ Kritisiert wird, dass man doch „keine berechtigte Forderung zurücknehmen“ könne, „wenn man die Gegenleistung nicht kennt.“ Kritik kam zudem aus den eigenen Reihen – in Gestalt des Präsidenten des Bayerischen Bauernverbandes. Laut Nachrichtendienst dpa sagte Günther Felßner dem Bayerischen Rundfunk: „Wir kämpfen nach wie vor für dieses Ziel. (...) Hier war offensichtlich ein Missverständnis im Spiel. Wir geben keinen Millimeter nach beim Agrardiesel.“
Dieses Statement dürfte allerdings Teil der Taktik sein. Einer mimt den Hardliner und/oder poltert. Andere schlagen leisere Töne an, suchen das Gespräch und verhandeln. Der eine hält Kulissen aufrecht, die Druck ausüben. Den anderen hilft das, weil bei den Verhandlungspartnern in Erinnerung bleibt, was möglich wäre – nämlich neuerliche Proteste, die man angesichts wiederkehrender Streiks bei der Bahn und an den Flughäfen so gar nicht gebrauchen kann. Die Kraft der früheren Proteste so durchschimmern zu lassen, lässt die Politikerinnen und Politiker der Bundesregierung und im Deutschen Bundestag in Berlin nicht vergessen, dass sie liefern müssen.
Aus den Äußerungen Krüskens abzuleiten, der DBV würde den Demonstrierenden in den Rücken fallen, ist gewagt. Eher passen sie in die Taktik. Denn sie eignen sich, den Verantwortlichen – allen voran Bundeskanzler Scholz und Finanzminister Christian Lindner – einen Weg zu bahnen, ihr Gesicht zu wahren und trotzdem zu tun, was getan werden muss: weitreichende Entlastungen für die hiesige Landwirtschaft zu schaffen. Auf weitere Belastungen zu verzichten sowie Maßnahmen zu ergreifen, um die Landwirtschaft schnellstmöglich „effektiv und substanziell“ zu entlasten, das fordern im Übrigen auch die Ministerpräsidenten der Länder. Und auch deren Fachministerinnen und Fachminister dürften Ähnliches formuliert haben, wenn an diesem Freitag ihre Frühjahrskonferenz endet. Nach Berlin weht demnach auch aus den Bundesländern ein scharfer Gegenwind.
Die Landes- und Ressortchefs beharren aber nicht auf dem Status quo beim Agrardiesel. Darauf zu bestehen, die Vergünstigungen genau so zu erhalten, wie sie bis dato sind, führt aufs Abstellgleis. Denn auch in der Landwirtschaft wird es unabhängig von der unglücklichen Ampelentscheidung nötig sein, über kurz oder lang Alternativen zum herkömmlichen Diesel einzuführen und auf erneuerbare Treibstoffe zu setzen. Dafür sind lange Übergangszeiträume nötig und da­­rauf ließen sich wohl weite Teile der rot-grün-gelben Koalition ein. Daher ist es auch für die Interessenvertretung allemal klüger, jetzt die Karten auszureizen, um Entlastungen he­­rauszuschlagen, die über die laufende Legislaturperiode hi­­naus wirken. Die möglichen Gegenleistungen sind dabei mitnichten unbekannt. Sie werden auch Günther Felßner geläufig sein. Er wie die anderne Mitglieder im DBV-Vorstand werde für gewöhnlich ausführlich informiert, worüber und mit wem die DBV-Spitze gerade spricht und wie die Erfolgsaussichten sind.

Doch selbst außerhalb des DBV-Führungszirkels sind die Optionen bekannt. Fällt die Rückerstattung beim Agrardiesel, muss es Kompensationen in mindestens gleicher Höhe geben. Das hatte Generalsekretär Krüsken schon bei anderen Gelegenheiten wiederholt klargestellt, unter anderem kürzlich beim Agrarforum in Kalkar. Kompensationen könnten zum Beispiel dadurch erreicht werden, Biokraftstoffe steuerfrei zu stellen und eine steuerfreie Risikoausgleichsrücklage einzuführen. Auch ein Auflagenmoratorium und eine Initiative zur Entbürokratisierung sind ganz konkrete Gegenleistungen, die Berlin kennt und zu denen sich Scholz und seine Regierung endlich bekennen müssen.