10.04.2024

Zu kurz gedacht

Dr. Elisabeth Legge

Geht es nach den Wünschen von Bundesagrarminister Cem Özdemir, dann sollen in Deutschland künftig weniger Nutztiere, diese jedoch besser gehalten werden. Aber insbesondere ein Rückgang der Tierhaltung ist zu kurz gedacht. Denn ohne Tierhaltung funktioniert so manches einfach nicht.

Bestimmt hat der ein oder andere von Ihnen schon die Grillsaison eröffnet. Das sommerliche Wetter am vergangenen Wochenende bot sich dazu regelrecht an. Und vor allem Fleisch und Würstchen brutzelten da wieder auf dem Grill. Und zeitgleich mit dem Start der Grillsaison gab es eine Meldung, die Tierhalter aufhorchen lassen muss: „Fleischverzehr auf neuem Tiefstand“. Wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) mitteilte, ging der mittlere Pro-Kopf-Verbrauch 2023 auf weniger als 52 kg zurück. Der langfristige Trend hin zu einem geringeren Fleischverzehr hat sich damit auch im vergangenen Jahr fortgesetzt. Groß war der Rückgang insbesondere bei Rind- und Kalbfleisch, aber auch bei Schweinefleisch, während Geflügelfleisch erneut in der Gunst der Verbraucher zulegte.

Natürlich hat der Rückgang beim Fleischverbrauch Gründe. Das sind zum einen die sich veränderten Ernährungsweisen. Der Verbraucher macht sich einfach mehr Gedanken darüber, welche Auswirkungen ein hoher Fleischkonsum auf die eigene Gesundheit, aber auch auf Klima und Umwelt hat. Das sind zum anderen auch ethische Gründe, weil die Gesellschaft unzufrieden ist mit den Bedingungen, unter denen die Tiere gehalten werden. Und auch der Preis für Fleisch dürfte in Zeiten der Inflation Grund für den Rückgang beim Fleischverzehr sein. Für Minister Cem Özdemir ist der sinkende Fleischverzehr jedenfalls ein Indiz dafür, dass die Deutschen bei ihrer Ernährung stärker auf ihre Gesundheit, die Auswirkungen auf die Umwelt und das Wohl von Tieren achten. Für ihn lautet daher die Devise: „Weniger Tiere besser halten“. Aber das ist zu kurz gedacht. Die Tierhaltung macht Sinn und hat ihre Berechtigung:

Stichwort Grünland: Tiere machen manche Pflanzen für uns Menschen erst verwertbar. Nur das Rind kann beispielsweise Gras für uns verwerten. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass gerade das Grünland unsere Landschaft maßgeblich prägt. Was wären denn bestimmte Regionen ohne Grünland? Denken wir doch nur an das Bergische Land oder die Eifel.

Stichwort Abfallprodukte: Der Rückgang der Tierhaltung hat auch Auswirkungen auf den Ackerbau. Das Getreide, das nicht für die menschliche Ernährung gedacht oder geeignet ist, landet im Futtertrog. Die Düngeverordnung ist regelrecht da­­rauf angelegt, dass weniger Brotweizen produziert werden kann, und damit fällt zwangsläufig mehr Weizen für die Tiere an. Apropos Düngung: Eigentlich hat sich die Politik auf ihre Fahnen geschrieben, dass zukünftig weniger mineralischer Dünger eingesetzt wird. Aber wenn man weniger Tiere hält, dann können auch nicht mehr tierische Düngemittel verwendet werden. Ist doch logisch, oder?

Stichwort Ökolandbau: Kein Bereich in der Landwirtschaft ist auf die Tierhaltung so angewiesen wie der Ökolandbau. Mineraldünger sind im Ökolandbau tabu und am Einsatz tierischer Exkremente geht hier kein Weg vorbei. Das System Ökolandbau funktioniert nur mit Tierhaltung. Darüber sollte sich die Politik und auch jeder Verbraucher im Klaren sein. Diejenigen, die Öko wollen, müssen eigentlich auch Fleisch wollen. 30 % Ökolandbau im Jahr 2030 – so lautet das im deutschen Nationalen Strategieplan verankerte Ziel. Aber wenn man weiterhin die Tierhaltung zurückdrängt, bleibt dies lediglich ein Traumziel.

Die landwirtschaftlichen Betriebe haben den Trend zu weniger Fleischverbrauch längst erkannt und passen sich dieser Entwicklung bereits seit Jahren an. Und auch der Handel stellt sich längst darauf ein. So hat beispielsweise Aldi Süd angekündigt, künftig Rindfrischfleisch nur aus den höheren Haltungsformen 3 und 4 anzubieten (siehe S. 9). Die Branche rund um die Tierhaltung tut eigentlich alles, um das gesetzte Ziel nach mehr Tierwohl umzusetzen.

Aber was tut die Politik? Sie lässt auf sich warten. Die Tierhalter sind zum Umbau der Tierhaltung, sprich zu mehr Tierwohl in ihren Ställen bereit. Aber mehr Tierwohl kostet Geld und muss finanziert werden. Hier muss die Politik endlich zu Potte kommen und ein vernünftiges Finanzierungskonzept vorlegen. Mit der Einführung des staatlichen Tierhaltungskennzeichens und des Bundesprogramms für den Umbau der Tierhaltung ist es jedenfalls nicht getan. Die Politik sollte alles daransetzen, die Tierhaltung wettbewerbsfähig und zukunftsfest zu gestalten. Sonst wandert die regionale Tierhaltung weiter ab. Die Gefahr ist dann, dass Fleisch von Tieren auf unseren Tellern landet, über deren Haltungsbedingungen wir keine Kontrolle haben. Das kann weder die Politik noch der Verbraucher wollen.