25.09.2024

Bewirtschafter beteiligen

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Es gibt ein Thema, das jeden betrifft – ob er nun in der Stadt lebt oder auf dem Land, ob er Landwirtschaft oder Forstwirtschaft betreibt – und das sich nicht von heute auf morgen löst: der Klimawandel. Viele Erwartungen und wenige Zusagen hatte NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur im Gepäck, als sie vergangene Woche den Waldbauern ihre Aufwartung machte.

Haben Sie es bemerkt? Für den vergangenen Freitag hatte die Organisation Fridays for Future (FFF) wieder einmal zu einem globalen Klimastreik aufgerufen. Konnte man schon zu früheren Zeiten, als noch Tausende Schülerinnen und Schüler an solchen Tagen dem Unterricht ferngeblieben sind, nicht wirklich von einer Arbeitsniederlegung sprechen, geht auch der Event-Charakter von damals mehr und mehr verloren. Nunmehr kann man die Teilnehmenden problemlos durchzählen, so wenige sind es geworden, die dem Aufruf gefolgt sind. Konnten die TV-Nachrichten vormals aus der ganzen Welt Bilder von großen Demonstrationszügen zeigen, müssen sie heute schon lange nach eindrucksvollen Szenen suchen.

Man kann zu Fridays for Future stehen, wie man will, ihr zen­trales Thema hat an Aufmerksamkeit verloren. An der Wichtigkeit, den Klimawandel und seine Folgen ernst zu nehmen, ändert das nichts. Ausgerechnet an Mona Neubaur, als grüne Ministerin in NRW gleichermaßen für den Klimaschutz und für Wirtschaftsfragen zuständig, richtete sich vor gut zwei Jahren die massive Kritik der Organisation, sie habe gemeinsam mit Bundeswirtschafts- und -klimaschutzminister Dr. Robert Habeck einer weiteren Verstromung von Braunkohle Vorschub geleistet und damit auch den Klimaschutz gefährdet. Auch die Räumung des Dorfs Lützerath als Symbol des Widerstands gegen den Braunkohleabbau rechnet die Organisation unter anderem ihr zu. Seither versucht sie wieder und wieder ihren Respekt für deren Engagement herauszustellen, wenn sie erneut auf Vertreter der Organisation trifft.

Respekt vor ihrer Arbeit war auch die wichtigste, wenn nicht sogar die einzig wirkliche Botschaft, die Neubaur vergangene Woche für die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer beim Waldbauerntag Werl im Gepäck hatte – neben Einsichten, die für die Anwesenden eine Selbstverständlichkeit sind. Etwa die, dass die Waldbauern die ersten sind, die spüren, was Klimakrise bedeutet. Sie hätten dann kein Produkt mehr, das sie vermarkten können, stellte Neubaur fest. In der Tat ist das sogar wohl die drückendste Frage, auf die sie eine Antwort brauchen: Woher kommt das Geld, um Kalamitätsflächen aufzuforsten und die Forsten klimaresilient umzubauen? Immerhin ist laut Eberhard von Wrede vom Waldbauernverband die Hälfte der Waldfläche in NRW eine Baustelle, 250 000 ha müssen seinen Angaben zufolge klimadynamisch umgebaut werden. Doch die Mittel aus dem Landeshaushalt sind begrenzt. Dafür, dass die Landesregierung mit Vereinfachungen dafür gesorgt hat, dass Windenergieanlagen nunmehr leichter auf Kalamitätsflächen errichtet werden können, gab es durchaus Lob. Allerdings auch Kritik, denn dort, wo keine solchen Anlagen in Betrieb gehen können, bleibt die Frage: Wenn nicht die Windenergie, was bringt sonst Geld in diese Forstbetriebe und versetzt sie so in die Lage, über die Aufforstung einen Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten?

Dass dies dringend geboten ist, lassen erste Einblicke in die Bundeswaldinventur erahnen, deren Ergebnisse Bundes­agrarminister Cem Özdemir voraussichtlich am 8. Oktober vorstellen wird. Demnach hat sich die CO2-Speicherleistung der Wälder in Deutschland auf 5 % verringert. Bislang wurde sie auf 6 % taxiert, was einer Speicherleistung von rund 20 Mio. t CO2 pro Jahr entspricht. Alles eine Leistung der Waldbewirtschafter, für die bislang keine Vergütung fällig ist. Ähnlich ergeht es aber auch den Acker- und Grünlandbauern. Während der gesamte Sektor seine Klimaziele bislang übererfüllt, hinken andere, etwa der Straßenverkehr, nach wie vor hinterher. Darüber hinaus haben die noch die Möglichkeit, über den Handel mit CO2-Zertifikaten ihre Verpflichtungen mit Geld auszugleichen und auf andere zu übertragen. Doch dieses System muss überarbeitet werden. Dabei darf durchaus an die aktuellen Fälle erinnert werden, wo sich im Falle der Öl­industrie einige Ausgleichsprojekte in China als Schwindel herausgestellt haben.

Statt Klimaschutz ins Ausland zu verlagern, sollten unsere Wirtschaft und die zuständigen Ministerinnen und Minister in den Ländern und im Bund viel mehr Energie darauf verwenden, die CO2-Bindung durch die heimische Land- und Forstwirtschaft endlich marktfähig zu machen und zu honorieren. Den Einwand, dass die Bindungsleistung unmöglich zu kalkulieren sei, kann ich an der Stelle nicht nachvollziehen. Forscher sehen sich in der Lage, in ihren Modellen Tausende von Faktoren zu berücksichtigen und so Klimaprognosen anzustellen. Doch es soll zu schwer sein, aufgrund von Parametern wie zum Beispiel Bodentyp, Bewirtschaftungsform, Wetterbedingungen, topografischen Faktoren, Kulturart oder Lichtexposition Bindung und Dynamik von Kohlendioxid zu kalkulieren.