16.10.2024

Der Preis muss bezahlt werden

Kathrin Fries

Alles hat seinen Preis, heißt es. Mancher scheint das aber zu vergessen, wenn es nicht ans eigene Portemonnaie geht. Denn auch der Wald braucht Investitionen – sei es durch die gesetzlich verordnete entwaldungsfreie Lieferkette oder die Menschen, die ihn hegen und pflegen. Doch was ist uns der Wald wert?

Deutschland ist, man könnte fast sagen, waldversessen. Es gibt wenige Länder, in denen so viele Menschen so oft ihre Freizeit im bewaldeten Naherholungsgebiet verbringen, manche gerade auf der Suche nach Pilzen, manche zum sogenannten Waldbaden. Es ist aber auch zu schön, in der Natur zu sein, wenn es herbstlich bunt wird. Und dieser Geruch! Vielleicht stammt diese enge Bindung eines Volkes an seinen Wald noch aus der Zeit, als Bäume als Sitz von germanischen Göttern verehrt wurden. Die wenigsten machen sich heutzutage aber wohl Gedanken darüber, was der Wald noch für eine Bedeutung hat – außer Abenteuerspielplatz und Ort zum Seele-baumeln-lassen. Und wie es um ihn steht.

Die Bundeswaldinventur hat nun gezeigt, dass die große Hoffnung, die enorme Waldfläche, die es in der Bundesrepu­blik gibt, auf der Haben-Seite bei der CO₂-Bilanz zu buchen, so nicht zu halten ist. Eigentlich ist die Rechnung einfach: Durch Fotosynthese wird von Bäumen CO₂ gebunden. Das hilft – verkürzt gesagt – gegen Erderwärmung und Klimawandel. Außerdem tut ein Baum dem Boden, in dem er wächst, gut. Er schützt zum Beispiel vor Erosion und hilft bei der Wasserspeicherung. Das ist eine Erfahrung, die nicht nur den Messdaten der Statistiker zu entnehmen ist, sondern was auch Kleinstbauern am anderen Ende der Erde ganz praktisch erfahren.

Wie ihre Berufskollegen im Rheinland, sind auch die Erzeuger im globalen Süden dennoch froh, dass die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zumindest verschoben wurde. Immerhin ein Jahr mehr Luft haben sie dadurch gewonnen. Denn bei aller Unterschiedlichkeit in den Strukturen, Anbaumethoden und Vermarktungswegen haben Landwirte hier wie dort das Problem, dass sie nun mal die Ersten in der Lieferkette sind und aktuell die Hauptlast für die Umsetzung der EUDR sowohl zeitlich-bürokratisch als auch finanziell stemmen müssten. Nun könnte man sich verdeutlichen, dass sie eine gewisse Machtposition haben – wenn nichts angebaut wird, weil der Bauer aufgibt, kann auch nichts vermarktet werden, egal ob wir von Bananen oder Winterweizen sprechen. Andererseits wissen wir alle, dass oft überraschend schnell ein anderer zur Stelle ist, wenn der eine aufgeben muss. Die Schweinebranche ist dafür trauriges Paradebeispiel.

Bei aller Liebe zum Wald und dem Wissen aller Beteiligten, dass dieser nicht nur „nice to have“, sondern für unsere Erde existenzsichernd ist, stellen sich zwei Fragen: Wie fair ist es, dass den Preis für das gut gemeinte Regelwerk nun die zahlen sollen, die sich vielerorts schon aus Eigeninteresse um den Erhalt bemühen? Und welche Stellschrauben können in der durch die Verschiebung gewonnen Zeit angesetzt werden, um dem hehren Ziel gerecht zu werden, den Verkauf und Import von Produkten, die Abholzung verursacht haben, zu unterbinden, ohne dass die Last einer ganzen Lieferkette auf dem Rücken des einzelnen Landwirts abgeladen wird? Hier geht es nämlich auch um Existenzen! Denn Wald ist wichtig. Das wissen nicht nur die Kleinbauern im globalen Süden.

Wer sich von den Fairtrade-Anbauern etwas abschauen möchte, erkennt schnell, dass es nicht ohne Investitionen in Menschen geht. Was wir in Deutschland beim Einkauf mit Blick auf das Siegel an Mehrkosten in Kauf nehmen, wird unter anderem in die Expertise und Vernetzung der Kleinbauern investiert, die so den Anbau für ein existenzsicherndes Einkommen und Umweltschutz besser unter einen Hut bekommen. Spannend, dass der stellvertretende Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), Harald Schaum, in seinem Statement zur Bundeswaldinventur festgestellt hat, dass der Zustand des Waldes ganz wesentlich auch davon abhänge, wie viele Menschen sich um ihn kümmern: „Je mehr Personal im Forst, desto besser die Pflege des Waldes.“

Es braucht also offenbar nicht nur in den Fairtrade-Ländern, sondern auch hier bei uns mehr Mittel für Waldumbau, Wiederbewaldung, die Ausbildung von Fachkräften und Forschung. Bleibt zu hoffen, dass sich an dem hierfür zu zahlenden Preis auch die beteiligen, die die politischen Regelungen beschließen, und es nicht wieder am Ersten in der Lieferkette hängen bleibt!

Bei aller Unterschiedlichkeit haben Landwirte hier wie dort das Problem, dass sie nun mal die Ersten in der Lieferkette sind und aktuell die Hauptlast für die Umsetzung der EUDR stemmen müssten.