Es bleibt vorerst beim Alten
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir bekennt sich dazu, was viele lange vermutet haben: Er will in Baden-Württemberg die Nachfolge von Landesvater Wilfried Kretschmann antreten. Bis dahin ändert sich im Bundeslandwirtschaftsministerium nicht viel.
Gerechnet hat man eigentlich schon von der Minute an, als bekannt wurde, dass Cem Özdemir von den Grünen in der Ampelregierung in Berlin den Posten als Agrarminister übernehmen soll. Das Amt war und ist ihm nun auch nach gut drei Jahren alles andere als auf den Leib geschnitten. Dass er jetzt angekündigt hat, Wilfried Kretschmann als Ministerpräsident in Baden-Württemberg beerben zu wollen, wurde daher schon lange gemutmaßt und hat kaum jemanden überrascht.
Dass er sich aktuell dazu bekannt hat, liegt schlicht an den Vorgaben für die Nominierung zur Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2026, also in knapp eineinhalb Jahren. Denn vor der Wahl in ein solches Amt hat nun einmal erst die Aufstellung als Spitzenkandidat zu erfolgen. Dann müssen die Grünen im Südwesten auch noch eine Mehrheit bei der Wahl erringen, mit der sie, auch gegenüber möglichen Koalitionspartnern, ihren Anspruch durchsetzen können, weiter zu regieren und den Landesvater zu stellen. Danach sieht es allerdings derzeit nicht aus. Deswegen dürfte die Kandidatur Özdemirs nicht nur seinen persönlichen Neigungen zu seiner Heimat, sondern auch dem geschuldet sein, dass er ein politisches Ziehkind des amtierenden Ministerpräsidenten Kretschmann ist. Ihm trauen Parteifreundinnen und Parteifreunde zudem besonders zu, mit einer Charmeoffensive den zweistelligen Umfragerückstand im Ländle gegenüber dem Unions-Kandidaten Manuel Hagel aufzuholen. Özdemir gilt als einer der beliebtesten Politiker der Grünen und als bekennender Baden-Württemberger.
Seine Beliebtheit hat Gründe, aber auch Kehrseiten. Einer ist zum Beispiel, dass Özdemir nicht wirklich aneckt; vielleicht einmal etwas anstupft, aber ohne wirklich Dellen oder Kanten oder Eindrücke zu hinterlassen. Er gibt sich in alle Richtungen geschmeidig, tut sich so allerdings auch nicht besonders hervor. Das kann auch an seiner Herkunft als Kind einer Gastarbeiterfamilie liegen, die darauf bedacht war, sich zu integrieren statt aufzufallen.
Das mag Spekulation sein. Tatsache ist aber, dass er in seinem Amt als Agrarminister in keinerlei Richtung wirklich überzeugt, schon gar nicht begeistert hat. Weder die, die auf radikale Änderungen und Ökologisierung in der Agrarbranche gehofft hatten, noch die, um die sich Agrarpolitik hauptsächlich drehen sollte, also die Landwirtinnen und Landwirte. Stattdessen hinterlässt er den Eindruck eines netten, umgänglichen Menschen, der als Politiker im Agrarministerium brav als Statthalter im Sinne der Ampel- beziehungsweise der Parteiraison fungiert. Nicht umsonst unterstellt man dem gelernten Sozialpädagogen, der bis zu seinem Amtsantritt kaum Berührungspunkte zur Land- und Ernährungswirtschaft hatte, dass die meisten seiner Vorhaben im Kern auf die frühere Landwirtschaftsministerin Renate Künast zurückgehen.
Gegenüber Alphamännchen wie Parteifreund Dr. Robert Habeck und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) konnte er sich im Dezember vor einem Jahr auch nicht recht behaupten, als die – ohne ihn vorher einzubeziehen – im Handstreich und mit Zustimmung von Bundeskanzler Olaf Scholz den landwirtschaftlichen Betrieben steuerliche Vergünstigungen in Höhe von Hunderten Millionen streichen wollten. Dass den Unternehmen wenigstens das grüne Nummernschild geblieben ist und die Steuerrückvergütung auf Agrardiesel nun nur schrittweise abgebaut wird, war letztlich auch nicht seiner Durchsetzungskraft zu verdanken.
Was die bisherige Bilanz seiner agrarpolitischen Arbeit angeht, steht also nicht viel auf der Habenseite. Als „Landwirtschaftsminister von allen”, so eine eigene Einschätzung, hat er versucht, es vielen recht zu machen und hat es deswegen bislang auch niemandem wirklich recht gemacht. Daran wird sich in den verbleibenden Monate im Amt nichts ändern. Özdemir will bis zur nächsten Bundestagswahl im September 2025 weiter Bundeslandwirtschaftsminister bleiben. Ob er es aus voller Überzeugung tut, kann man durchaus hinterfragen. Denn seine Chancen auf das Ministerpräsidentenamt im Ländle werden sicher nicht dadurch besser, dass er bis zur dortigen Landtagswahl auf zwei Hochzeiten tanzen muss: in Berlin als Minister und in Baden-Württemberg als Wahlkämpfer. Gut möglich, dass er das aus Pflichterfüllung seiner Partei gegenüber auf sich nimmt. Denn auf weiter Flur findet sich niemand, der sich ohne Aussicht auf Verlängerung noch für ein knappes Jahr als Übergangsminister für Landwirtschaft und Ernährung in Berlin erwärmen kann. Zum Vorteil für die Landwirtschaft ist es wahrlich nicht, dass sich bis dahin deswegen nicht viel verändern wird, schon gar nicht zu ihren Gunsten.