02.10.2024

Es ist Eile geboten

Katrin John

Eine Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat dafür gestimmt, den Schutzstatus des Wolfs zu lockern. Damit ist ein erster Schritt in die richtige Richtung getan, auf den weitere zeitnah folgen müssen, um die Zukunft der Weidetierhaltung zu sichern.

Man kann von einem Meilenstein sprechen, der in der europäischen Wolfspolitik in der vergangenen Woche erreicht wurde. Was lange diskutiert und gefordert wurde, ist nun endlich in Sicht: Die EU-Mitgliedsländer stimmten mehrheitlich dafür, den Schutzstatus des Wolfs von „streng geschützt“ in „geschützt“ herabzustufen. Der Beschluss muss allerdings noch durch den Ministerrat der EU bestätigt werden. Erst dann kann die EU-Kommission eine Anpassung in der Berner Konvention vorantreiben. Das ist wiederum Voraussetzung für eine Anpassung der europäischen Flora-Fauna-Habitat-(FFH)-Richtlinie.

Es sind also noch einige Schritte zu gehen, aber immerhin ist der erste große Schritt in die richtige Richtung gemacht. Im Sinne der Weidetierhalter kann man nur hoffen, dass die Politik in Brüssel schneller vorankommt als bisher. Denn den Vorschlag, den Schutz des Wolfs zu lockern, hatte die EU-Kommission den Mitgliedstaaten bereits im Dezember vergangenen Jahres gemacht.

Andererseits war es für das Ergebnis der Abstimmung vielleicht sogar von Vorteil, dass zwischen Vorschlag und Abstimmung ein längerer Zeitraum vergangen ist. Denn diese Zeit hat unsere Bundesumweltministerin Steffi Lemke scheinbar gebraucht, um zur Besinnung zu kommen. Ende des vergangenen Jahres warnte sie noch vor einem Angriff auf den Artenschutz angesichts des Vorschlags der EU-Kommission, den Schutz des Wolfs zu verringern. Doch offensichtlich hat sie ihre Meinung mittlerweile geändert, denn Deutschland stimmte ebendiesem Vorschlag in der vergangenen Woche zu. Die deutsche Ja-Stimme war am Ende sogar das Zünglein an der Waage. Vielleicht mussten die von Lemke im vergangenen Herbst ermöglichten Schnellabschüsse erst in der Praxis und vor Gericht scheitern, damit die Ministerin einsieht, dass zunächst eine Anpassung des rechtlichen Rahmens auf EU-Ebene notwendig ist.

Die Zeit, die währenddessen verstrichen ist, hat leider einige Weidetiere das Leben gekostet. Erst vor wenigen Wochen haben wir in der LZ über die Rissserie im Wolfsgebiet Schermbeck und die amtliche Bestätigung der von einem Wolf gerissenen Kuh in Hürtgenwald berichtet. Mittlerweile liegen zumindest für ein paar dieser Risse Ergebnisse der DNA-Analysen vor. Die bestätigen, was längst vermutet wurde. Wieder mal ist die Wölfin mit der Kennung GM954f – besser bekannt als Gloria – für mindestens drei Risse mit insgesamt sechs toten Schafen verantwortlich. Einige weitere Risse, die im August und September stattgefunden haben, sind laut der NRW-Datenbank für Nutztierfälle nach wie vor in Bearbeitung, obwohl zum Teil schon mehr als sechs Wochen vergangen sind. Da würde man doch gerne wissen, warum das so lange dauert.

Das Senckenberg Forschungsinstitut, das als Referenzlabor für das bundesweite Wolfsmonitoring zuständig ist, gibt an, für Artbestimmungen auf Basis von Tupferproben von mutmaßlichen Wolfsrissen durchschnittlich vier bis fünf Werktage zu benötigen. Bei entsprechend beauftragten Eilproben würden in diesem Zeitraum auch Individuen- und Rudelzugehörigkeit bestimmt. Sollte ein Ergebnis unklar sein, werde häufig noch die Analyse einer B-Probe in Auftrag gegeben, was die Analysezeit entsprechend verlängere. Das Senckenberg Institut weist aber auch explizit darauf hin: „Wann ein Ergebnis der Öffentlichkeit bekannt wird, liegt im Ermessen des Auftraggebers.“ Genau da scheint der Knackpunkt zu liegen. Denn wenn man diese Angaben des Forschungsinstituts hört, erweckt es den Eindruck, dass die Veröffentlichung der DNA-Ergebnisse vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (LANUV) NRW, das für das Wolfsmonitoring zuständig ist, verschleppt wird. Oder wie kann es sonst sein, dass bei einem laut Datenbank am 20. Juli in Wesel stattgefundenen Riss bis heute lediglich die Rudelzugehörigkeit der Wölfe bekannt ist und die Individualisierung immer noch in Bearbeitung ist.

Sollte durch die noch ausstehenden DNA-Ergebnisse klar werden, dass Gloria für weitere Risse der vergangenen Monate verantwortlich ist, wird das vermutlich zu einer erneuten Debatte über ihren Abschuss führen. Doch bis der Schutzstatus des Wolfs auf EU-Ebene rechtssicher abgesenkt ist, wird noch Zeit verstreichen. Ob das in Deutschland dann tatsächlich zu einem erleichterten Abschuss von Problemwölfen wie Gloria führt, wird sich noch zeigen. So oder so gilt: Auf allen Ebenen ist Eile geboten, sowohl auf EU-Ebene als auch bei der Veröffentlichung von DNA-­Ergebnissen nach Wolfsrissen. Nur so kann Klarheit für die Weidetierhalter geschaffen werden und eines Tages vielleicht auch ein Aufatmen durch den Abschuss von Problemwölfen.