05.02.2025

Fakten und Vorurteile

Foto: Katrin John

Öffentlichkeitsarbeit ist eine wichtige und zugleich mühsame Aufgabe – das werden viele Landwirtinnen und Landwirte bestätigen können. Diese Erfahrung habe ich auch während meines Standdienstes für den Verein Mutterkuh NRW auf der Grünen Woche in Berlin gemacht.

Politiker, Menschen aus der Agrarbranche, Bürger aus Berlin und Umgebung, Kinder jeden Alters – sie alle haben sich vor Kurzem in den Messehallen der Grünen Woche getummelt, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen. Die Politiker wollten kurz vor der Bundestagswahl um Stimmen werben, Landwirte suchten Austausch und Verbraucher suchten, ja, was eigentlich? Kostenlose Snacks und Präsente? Oder vielleicht doch die Möglichkeit, den eigenen Horizont zu erweitern? Die einen mehr, die anderen weniger. Das sind zumindest die Erfahrungen, die ich bei meinem Standdienst für den Verein Mutterkuh NRW gemacht habe. Der Verein ist eine Interessenvertretung landwirtschaftlicher Betriebe mit Mutterkuhhaltung und war in diesem Jahr auf der Grünen Woche in der NRW-Halle vertreten, um über diese tiergerechte und nachhaltige Form der Rinderhaltung zu informieren. Eine gute Sache, die ich gerne unterstützt habe, da meine Familie selbst Mutterkühe hält.

Ein Glücksrad zog viele Kinder und Erwachsene an den Stand und diente dazu, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Das Rad war mit verschiedenen Kategorien beschriftet und je nachdem, wie schwungvoll daran gedreht wurde, bekam derjenige dann eine Frage zu Kuh, Kalb, Rinderrassen, Biodiversität oder Kulturlandschaften gestellt. Bei der Bandbreite der Antworten war alles dabei. Der ein oder andere hatte einen landwirtschaftlichen Hintergrund und dementsprechend kein Problem, die richtige Antwort zu geben. Auf die Frage „Welche Rinderrassen kennen Sie?“ gab es allerdings auch einige abenteuerliche Antworten. Am meisten geschockt hat mich eine Frau, die die Frage nicht verstanden hat, weil sie den Begriff „Rind“ schlichtweg nicht kannte. Obwohl nach Rassen und nicht nach Fellfarben oder Geschlechtern gefragt wurde, kamen auch Antworten wie „Ochse“, „Bulle“, „gefleckt“ oder „Milkakuh“. Dass es die Rasse Milkakuh in der Realität nicht gibt, war denen, die diese Antwort gaben, glücklicherweise klar. Trotzdem hatten sie keine bessere Antwort parat und dass die erste Assoziation mit einer Kuh das lila gefleckte Werbemaskottchen ist, verdeutlicht das nicht vorhandene landwirtschaftliche Wissen mancher Verbraucher.

Wiederum andere sind der Meinung, ganz genau über Landwirtschaft Bescheid zu wissen. Vor allem, was vermeintliche Missstände angeht. Ein gutes Beispiel dafür ist die Diskussion, die ich mit zwei Veganern geführt habe. Als zu Beginn des Gesprächs auf die Frage „Wie viele Kälber bekommt eine Kuh pro Jahr?” die  Antwort anfing mit „Da die Kühe in der Massentierhaltung ja ununterbrochen künstlich geschwängert werden …“, war schon klar, wohin das führt. Nachdem ich die obligatorische Kritik, dass Kuh und Kalb direkt nach der Geburt getrennt werden, durch die Erklärung, was die Mutterkuhhaltung ausmacht – Weidehaltung im Herdenverband – ganz schnell aus der Welt schaffen konnte, war die Diskussion damit aber noch lange nicht beendet. Dann kam die Aussage, es wäre doch viel effizienter, auf den Flächen pflanzliche Lebensmittel zu produzieren. „Grünland können wir aber nur für die menschliche Ernährung nutzen, indem wir es mit Wiederkäuern, zum Beispiel unseren Mutterkühen, beweiden. Menschen können Gras nicht verdauen“, lautete meine Antwort.

Daraufhin hatte mein Gegenüber die glorreiche Idee, man könnte aus dem Grünland doch einen Acker machen. Als ich ihm erklärte, dass das nicht möglich sei, unter anderem, weil es sich um Hanglagen handelt, waren wir in einer Sackgasse gelandet. Ihm waren die Argumente ausgegangen, da half nur die Flucht nach vorne mit der Aussage: „Jeder hat seine Meinung und sollte die des anderen akzeptieren.“ Ja, das sehe ich genauso. Jeder kann selbst entscheiden, ob er oder sie Fleisch isst oder eben nicht. Es ging hier inhaltlich aber nicht um Meinungen, sondern um Fakten. Ich empfinde es als überheblich, so zu tun, als wüsste man, was die Landwirte doch alles falsch machen und wie es besser geht. Indem man eine Weide im Bergischen Land umbricht, um dort Kartoffeln zu pflanzen, nämlich mit Sicherheit nicht.

Wenn man über die Mutterkuhhaltung informierte, kam häufiger die Frage „Das ist dann bio, oder?“. Denn das Schwarz-Weiß-Bild – bio ist gut und konventionell ist schlecht – scheint bei vielen fest im Kopf verankert. Dass auch die Mutterkühe von Betrieben, die nicht biozertifiziert sind, auf der Weide stehen, passte da nicht rein. So warfen die Messebesucher in den Gesprächen zum Teil auch verschiedene Themen durcheinander und anstatt über die Mutterkuhhaltung zu sprechen, war man plötzlich bei Beschwerden über teure Butter und Gülle, importiert aus den Niederlanden.

Neben diesen spezielleren Diskussionen und vielen kurzen Gesprächen gab es auch einzelne längere, in denen ich das Gefühl hatte, das Gegenüber hat wirklich etwas mitgenommen. Das hat mich sehr gefreut und genau für diesen Aus­tausch lohnt sich die Arbeit. Da stimme ich mit den Agrar-Scouts überein, die am ErlebnisBauernhof Rede und Antwort standen. Der Einsatz auf der Grünen Woche hat mir aber auch gezeigt, dass es im Bereich Öffentlichkeits­arbeit noch viel zu tun gibt.