Kuscheln tut mal gut
Der Deutsche Bauerntag war eine Wohltat für geschundene Seelen. Die Delegierten fühlten sich ernst genommen und wertgeschätzt von den Vertretern der Bundesregierung. Vom Agrarminister genauso wie vom Umweltminister. Sollte man deren Einvernehmen mit dem Berufsstand schon als Vorboten einer goldenen Zeit werten? Eher nicht.
Vor dem Bauerntag, der vergangene Woche in Berlin stattgefunden hat, gab sich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), betont fordernd. „Rainer muss liefern”, sagte er im Interview (siehe LZ 26, ab S. 15). Und der für Ernährung, Landwirtschaft und Heimat zuständige Bundesminister lieferte. Bei den Delegierten kamen er als Person und seine Aussagen gut an. Als „Gast bei Freunden” stellte Alois Rainer in der Tat auch einen Gegenentwurf zu seinem Vorgänger Cem Özdemir dar.
Rainer ist einer von ihnen; er kennt die Sorgen kleiner und mittelständischer Unternehmen; er spricht ihre Sprache, gibt sich bodenständig. Er greift auf, was den Bäuerinnen und Bauern unter den Nägeln brennt. Wiederholt Zusagen der Bundesregierung: zum Beispiel Streichung der Stoffstrombilanz, vollständige Wiedereinführung der Agrardieselsteuerrückerstattung oder Erhöhung der Zuschüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Verspricht, sich einzusetzen bei anderen Themen: rechtliche Prüfung eines Sonderwegs beim Mindestlohn für die Landwirtschaft, Ausnutzen von Ermessensspielräumen beim Düngerecht, Nein der Bundesregierung zur geplanten EU-Bodenrichtlinie sowie Abbau der Bürokratie.
In der Tat gab Rainer auf nahezu jedes Anliegen, das DBV-Präsident Joachim Rukwied schon am ersten Tag der Veranstaltung in seiner Grundsatzrede an die Agrarpolitik der Bundesregierung richtete, wohlwollende Antworten. Einen gemeinsamen und dauerhaften Dialog bot er an. Er sei Teamplayer und die Verbände gehörten zu diesem Team „ganz selbstverständlich“ dazu. Hatte man als Landwirtin oder als Landwirt bisher immer mal das Gefühl, für vieles verantwortlich gemacht zu werden, nichts und niemandem etwas recht machen zu können, dass einem ständig reingeredet wird, was man zu tun oder zu lassen hat, und Entscheidungen immer über die eigenen Köpfe hinweg gefällt werden, sind solche Aussagen natürlich Balsam für die Seele.
Ja, es tut der Landwirtschaft gut, dass mit Alois Rainer jemand an der Spitze des Agrarministeriums steht, der ihr zur Seite steht, sie wertschätzt und mit ihr respektvoll umgeht. Andererseits muss Rainer aufpassen, was diese Nähe zu deren Interessenvertretung bewirkt. Bei jenen, die die Landwirtschaft und ihre Lobby sowieso seit jeher kritisch begleiten, aber auch bei jenen, die das Zusammenspiel zwischen Erzeugern und Verbrauchern von Lebensmitteln und der Politik aus einem eher distanzierten Blick verfolgen. Deutlich macht das, wie Publikumsmedien auf den Auftritt Rainers reagiert haben.
„Agrarminister schleimt sich beim Bauernverband ein“, titelte etwa die linksgerichtete Tageszeitung taz. Nun muss man auf ihre Einschätzung nicht viel geben, steht sie doch solchen Nichtregierungsorganisationen (NGOs) nahe, die Özdemirs Agrarpolitik beflügelt haben. Allerdings: Solche suchen gerade nach jedem Angriffspunkt, um Rainer ein Bein zu stellen. Eine Möglichkeit könnte darin liegen, parlamentarische Wege zu umgehen und Dritte zu instrumentalisieren. So schon in der Vergangenheit geschehen, als NGOs zur Durchsetzung von Interessen den Lebensmittelhandel unter Druck gesetzt haben. Ein Risiko liegt hier etwa in der ungeklärten Frage der Finanzierung von mehr Tierwohl in den Ställen oder der Tierhaltungskennzeichnung. Hier gibt es Versicherungen von Rainer, aber keine Zusagen. Für mehr Geld braucht er die uneingeschränkte Rückendeckung von Bundeskanzler Merz und Finanzminister Klingbeil. Für Erleichterungen beim Pflanzenschutz ist er auf den Koalitionspartner angewiesen. Wie sehr dieser in Gestalt von Umweltminister Schneider zu Rainer steht, ist trotz des auf dem Bauerntag zur Schau getragenen Kooperationswillens nicht ausgemacht.
Rainer sollte es daher lieber mit der Empfehlung der Kolleginnen und Kollegen der Hannoverschen Allgemeinen (HAZ) halten. Die stellte klar: „Ein Agrarminister muss mehr als ein Lobbyist sein.“ Rainer muss als Politiker empathisch gegenüber allen gesellschaftlichen Gruppen sein, die in seine Zuständigkeit fallen. Er darf auch mehr Sympathien für einzelne haben als für andere. Vor Vereinnahmungen sollte er sich jedoch hüten. Einmal, weil er angesichts der Haushaltslage in Berlin und Brüssel keine goldenen Zeiten für die Landwirtschaft garantieren kann und so Enttäuschungen absehbar sind. Zum anderen deswegen, weil ein Minister, dessen Fachpolitik auf Sachverstand aufbaut, dennoch Gefahr läuft, als einseitig und der Kumpanei verdächtig abgestempelt zu werden. Den Betrieben hilft das nicht. Aus diesen Gründen sollten Interessenvertretung und Rainer sich bewusst werden: Zu viel Nähe ist auch nicht immer gut.