22.01.2025

Luft nach oben

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Es liegt schon lange in der Luft, dass auch die Landwirtschaft weiter gefordert sein wird, den Ausstoß an Klimagasen zu senken. Doch vor dem Senken muss jeder Betrieb wissen, wo er wirklich steht. Jetzt soll es eine Branchenlösung für eine einheitliche Berechnung der CO₂-Emissionen geben – aber nur für schweinehaltende Betriebe.

Kümmern sich viele um dasselbe Thema, kann es kompliziert werden – oder auch einfacher. Das gilt genauso für das Ziel, in der Landwirtschaft den Ausstoß an klimawirksamen Gasen zu senken, allen voran Kohlendioxid (CO₂). Daran ändert auch nichts, dass die Landwirtschaft einer der wenigen Sektoren ist, die ihre Ziele bisher erreicht haben. Das Umweltbundesamt (UBA) bescheinigt dem Sektor für 2023 eine weitere Senkung der Emissionen um etwa 0,9 Mio. t auf 63 Mio. t CO₂-Äquivalent. Prof. Dirk Messner, Präsident des UBA, sieht die Landwirtschaft aber weiter in der Pflicht. Er forderte erst kürzlich: „Die Landwirtschaft muss ihre Treibhausgasemissionen senken und negative Wirkungen auf die Biodiversität si­gnifikant verringern. Das bedeutet: Anstrengung, Veränderung, und Investitionen.“

Rückendeckung für diese Forderung geben ihm nationale und internationale Vereinbarungen. Auch wenn der gerade erneut als US-Präsident vereidigte Donald Trump aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen will, dürfte sich an der Zielsetzung Deutschlands und der EU, in absehbarer Zeit klimaneutral zu werden, wenig ändern. Daran wird die Landwirtschaft nicht vorbeikommen. Dass sie bereit und dazu in der Lage ist, wird von berufsständischer Seite immer wieder unterstrichen. Allerdings: Um effektiv zu handeln und abzuwägen, ob sich Investitionen auch rechnen, muss jeder einzelne Betrieb erst einmal wissen, wo er gerade steht, um weitere Schritte vorzunehmen.

Zwar nicht zu diesem Zweck, sondern eher aus Marketinggründen haben Fleisch- und Futtermittelwirtschaft schon vor Monaten angeregt, entlang der Wertschöpfungskette die Klimaleistung in der Nutztierhaltung sichtbar zu machen. Die Umstände sind zwar nicht vergleichbar mit der zu Jahrtausendbeginn, als die Branche angesichts von BSE und einer enormen Verunsicherung der Verbraucherschaft gegenüber Rindfleisch sich auf ein stufenübergreifendes Qualitätssicherungssystem geeinigt hatte. Die Herausforderung ist aber die gleiche: Was die eine Stufe tut, bestimmt, wie die nächste abschneidet und wie gut sich das am fertigen Produkt den Verbrauchern gegenüber deutlich machen lässt. Die Ökobilanz oder der CO₂-Fußabdruck sind für viele Verbraucherinnen und Verbraucher durchaus ein Kriterium, um ein Produkt zu beurteilen. Was heute noch ein Merkmal ist, um sein Angebot von Wettbewerbsprodukten abzugrenzen, kann allerdings irgendwann zu einem Muss werden: Wer den Nachweis, klimaschonender Erzeugung schuldig bleibt, verschwindet dann womöglich vom Markt.

So weit die eine Seite, warum es für landwirtschaftliche Betriebe Sinn macht, sich mit dem Thema CO₂-Nachweis zu beschäftigen. Es kommen weitere Gründe dazu. Und dazu gehören unter anderem Anforderungen der Finanzwirtschaft. Die betreffen zwar nicht unbedingt unmittelbar die landwirtschaftlichen Unternehmen, mittelbar aber schon. Denn die Taxonomie-Verordnung der EU verpflichtet die Institute zum Nachweis, dass sie in Nachhaltigkeit investieren. Als Gradmesser dient dabei auch der CO₂-Fußabdruck, der so immer mehr beeinflusst, wie günstig Kreditkonditionen ausfallen.

Mit ihrer Klimaplattform für schweinehaltende Betriebe macht die Wertschöpfungskette Fleisch also einen wichtigen Schritt. Sie schlägt dabei auch eine Richtung ein, wie sie trotz aller zusätzlichen Pflichten, Daten zu erfassen und zu dokumentieren, richtig ist: Nämlich, dass sie einen Wildwuchs verschiedenster Methoden zur Bestimmung der CO₂-Last zu verhindern sucht, indem sie die verschiedensten Ansätze von Forschungseinrichtungen und Landwirtschaftskammern zusammenführen und somit einen Standard schaffen will. Das ist gut so. Aber nicht die beste Lösung. Das weiß man auch bei den Projektbeteiligten.

Denn Landwirtschaft ist vielfältig und die Beziehungen zwischen den Betrieben, zu ihren Zulieferern und zu ihren Abnehmern sind höchst komplex. Das führt dazu, dass sich eben viele, auch ganz unterschiedliche Stellen, damit befassen, wie in dem Segment, das sie speziell interessiert, die CO₂-Bewertung am besten erledigt wird. Dabei können zum Beispiel die Ansätze für Milch oder Getreide ganz anders ausfallen als für Fleisch oder Kartoffeln, obwohl ein und dieselben Produkte in ein und demselben Betrieb erzeugt werden. Ein Wildwuchs droht! Da ist noch viel Luft nach oben, was die Zusammenarbeit entlang aller und zwischen allen Wertschöpfungsstufen angeht. Und es ist noch viel Luft nach oben, dabei die Sache für jeden landwirtschaftlichen Betrieb so einfach wie möglich zu machen. Hier darf kein weiteres Bürokratiemonster auf sie zukommen.