Mal mehr, mal weniger
Die Tageszeitung Die Welt hat gerade über zweifelhafte Finanzierungswege von Nichtregierungsorganisationen durch die EU berichtet. Überraschend sind die Erkenntnisse nicht, dass manche von ihnen mit Geldern der EU politisch Stimmung für Ziele der EU-Kommission gemacht haben sollen. Solche Vorwürfe gibt es bei Agrarthemen längst.
Stellen Sie sich das einmal vor: Kein Stress mehr vor dem 15. Mai, dem Tag, an dem der Agrarantrag abgegeben werden muss; keine Sorgen mehr, dass die Prämien gekappt werden, weil Sie für das Dorffest mehr als die gemeldete Fläche einer Wiese zur Verfügung gestellt haben; und keine zeitraubenden Vor-Ort-Kontrollen mehr. Das wäre einfach zu schön, um wahr zu sein! Aber so leicht macht es Ihnen die EU-Kommission leider nicht. Immerhin geht es um große Summen, die sie jährlich an die landwirtschaftlichen Betriebe in der EU auszahlt, genauer um mehr als 50 Mrd. €.
Milliardenbeträge bekommen auch sogenannte Nichtregierungsorganisationen (NGOs oder NROs) von der EU. Im Vergleich zum Agrarsektor allerdings deutlich weniger. Laut dem Europäischen Rechnungshof (EuRH) waren es in den Jahren 2021 bis 2023 insgesamt 7,4 Mrd. €, die an NGOs gezahlt worden sind, und damit weniger als 4 % der Mittel des EU-Haushalts. Das geht aus einem Sonderbericht hervor, den der EuRH Anfang April veröffentlicht hat. Darin definiert er auch die Maßstäbe dafür, wie Rechenschaft über die Verwendung der gewährten Mittel abzulegen wäre. Demnach umfasst die nötige „öffentliche Transparenz“: Wer hat die Mittel bekommen und bekennt er sich zu den Werten der EU? Wie viele Mittel hat der Empfänger von der EU, aber auch aus anderen Quellen erhalten? Warum und wofür wurde das Geld gezahlt und wie wurde es ausgegeben?
Denken Sie noch einmal an Ihren Agrarantrag und Sie werden feststellen: Keine der Fragen wird Ihnen erspart und wenn eine unbeantwortet bleibt, verspielen Sie womöglich Ihren Prämienanspruch. Wie sieht es nun bei NGOs aus? Hier gibt der Rechnungshof schon im Untertitel seines Berichts zur „Transparenz der EU-Finanzierung nichtstaatlicher Organisationen” sein Urteil ab: „Trotz Fortschritten gibt es noch immer keinen verlässlichen Überblick.“ Über 900 NGOs haben laut EuRH in dem Untersuchungszeitraum Finanzhilfen von der EU erhalten – unter ihnen auch solche, die sich vor allem politisch betätigen, also Lobbyismus betreiben. Das an sich ist nicht verwerflich, denn per Definition sollen NGOs zur Meinungsbildung in der Gesellschaft beitragen. Dabei vertreten sie naturgemäß meist die Interessen ihrer Klientel. Manchmal daneben allerdings auch die Interessen Dritter.
Und das führte eben erst zu einem öffentlichen Aufschrei. Denn die Tageszeitung Die Welt hatte aufgedeckt, dass die EU-Kommission Umwelt-NGOs finanziell unter die Arme gegriffen hat. So sollen Umweltverbände „beispielsweise für Kampagnen und Klagen gegen Firmen, darunter auch deutsche, bezahlt worden sein. Außerdem hätten sich EU-Kommissionsmitarbeiter bis ins Detail mit Aktivisten abgestimmt, um die Öffentlichkeit, vor allem auch Politiker im Sinne der EU-Klimapolitik zu beeinflussen“. Die Empörung darüber ist verständlicherweise groß, kommt aber reichlich spät. Schon zu Jahresanfang war der begründete Verdacht laut geworden, dass NGOs Geld erhalten, um bei agrarpolitischen Themen Einfluss auf Parlamentarier auszuüben (siehe Meldung „Knete für Klagen und Kampagnen”, S. 7).
Gerade weil es in einer Demokratie unverzichtbar ist, dass neben den Parteien auch andere Gruppen und Institutionen zur Meinungsbildung beitragen, muss hier Transparenz herrschen. Denn getreu der Redensart „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ werden Empfänger von Geldern sich nie den Interessen ihrer Geldgeber verschließen können. Solche Verflechtungen müssen offen gelegt werden. Zu Recht fordern das Staatsrechtler und Haushaltspolitiker des EU-Parlaments, ebenso wie eine Trennung zwischen NGOs, die sich gemeinnützigen Zwecken verschrieben haben, und solchen, die politischen Lobbyismus betreiben. Während die neue EU-Kommission, der Frans Timmermans als wohl treibende Kraft hinter den fragwürdigen Finanzspritzen nicht mehr angehört, sich für mehr Transparenz bei der NGO-Finanzierung einsetzen will, tun sich manche Organisationen reichlich schwer damit. Denkt man an die Entrüstung, als die Union im März mit einer Kleinen Anfrage von der damaligen Bundesregierung Auskunft über die politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen verlangte, wird man mit viel Widerstand auch gegen mehr Öffentlichkeit bei der europäischen NGO-Förderung rechnen müssen. Warum wohl?