17.04.2024

Pink und teuer – Frauensteuer

Foto: Sigrid Tinz

Extra Steuern zahlen, nur weil Frauen Frauen sind? Das ginge wohl auch dem hartgesottensten Antifeminist zu weit. Passender als das Wort „Pink Tax“ ist deshalb auch „Gender Pricing“. Denn das Phänomen gibt es durchaus: Für Frauen gemachte und vermarktete Produkte kosten oft deutlich mehr.

Das Leben als Frau ist teuer, teurer als das von Männern. Nicht nur weil – so sagt das Klischee – Frauen gerne shoppen und Schmuck, Schuhe und Nagellack in rauen Mengen aus den Geschäften tragen, sondern auch wenn Männlein und Weiblein ganz exakt das gleiche Konsumverhalten hätten.

Ein Friseurbesuch kostet in einem Salon für einen Mann 21 €, für eine Frau 52 €, egal, ob sie nur eine praktische Kurzhaarfrisur trägt oder er lange Locken. Machen Sie sich den Spaß und vergleichen bei den großen Drogerieketten die Basisprodukte der Eigenmarken mitei­­nan­der: „Women“ ist über den Daumen ein Drittel teurer als „man“. Oder: Berufskleidung wie Latzhosen oder Overalls kann man „basic“ bekommen, dann oft in Männergrößen. Oder deutlich teurer, dafür vielleicht in drei Farben mehr und mit speziell auf die Ergonomie von Frauen angepassten Schnitten.

Nach einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gibt es bei rund 3 % der untersuchten Produktvarianten einen erhöhten Preis für frauenspezifische Artikel. Bei Dienstleistungen sind es fast 60 %. Die Universität Bonn hat in einer Studie zu Finanzprodukten festgestellt, dass Frauen systematisch teurere Fondsprodukte angeboten werden als Männern. Nicht unbedingt weil Frauen das gleiche Produkt zu einem höheren Preis angeboten bekommen, sondern weil sie anderes empfohlen bekommen, oft Produkte, die risikoärmer, aber sehr viel teurer sind. Ohne dass die Frauen explizit auf einem solchen Produkt bestehen, ohne dass sie sorgfältig vom Berater über alle Möglichkeiten, Kosten und Varianten informiert worden sind. Außerdem bekommen Frauen seltener einen Rabatt auf den Vertrag.

Im Februar 2024 hat die Verbraucherzentrale Hamburg einige aktuelle Stichproben gemacht. Ergebnis: Friseure zum Beispiel rechnen mehr und mehr nicht nach Geschlecht ab, sondern gestalten die Preise nach Zeit, Aufwand und Materialkosten. Einwegrasierer kosten inzwischen oft gleich viel, egal, ob sie weiblich oder männlich vermarktet werden. Andere Produkte wie Parfüm haben nach wie vor hohe Preis-

unterschiede. Oder Beispiel Textilreinigung: Ein Hemd kostet 2,50 €. Eine Bluse 5,20 €. Die Gründe für die „Pink Tax“ sind vielfältig. An erster Stelle: Frauen sind schlicht bereit, mehr auszugeben, so heißt es vonseiten der Wirtschaft. Man analysiere die Zahlungsbereitschaft eines entsprechenden Kundensegments und dann wäre man quasi dumm, diesen Spielraum nicht auszuschöpfen. Aber warum sind Frauen überhaupt bereit, so viel (mehr) Geld auszugeben? Das hat viele Ursachen. Einen großen Anteil hat das von klein auf anerzogene Rollenbild, weiblich und gefällig zu sein. Das dazugehörige Schönheitsideal erfordert glatte, rasierte Haut von oben bis unten, lange glänzende Haare, hübsche Fingernägel, geschwungene Wimpern und figurschmeichelnde Kleidung. Um das zu erfüllen – und nicht von der Gesellschaft abgewertet zu werden –, greifen Frauen tief ins Portemonnaie.

Die Höhe der geschlechtsspezifischen Preisunterschiede lässt sich kaum logisch erklären. Meist ist der Inhalt der gleiche und zum Beispiel nur der Duft variiert. Auch bei Medikamenten oder speziell für Frauen ergonomisch geformten Rucksäcken liegt dem – wegen höherer Produktionskosten – höheren Preis eine Ungerechtigkeit zugrunde: nämlich dass, der männliche Körper die Norm ist, für den Rucksäcke konzipiert werden. Die dann für Menschen mit Brüsten teuer umgeplant werden müssen.

Auch wenn es sich bei den Preisunterschieden erst mal nur um harmlos erscheinende Centbeträge handelt. Hochgerechnet kommen pro Leben einige Tausend Euro an Duschgel, Rasierklingen und Deo zusammen. Es steht fest, dass die Pink Tax Frauen benachteiligt, so heißt es beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Weil Frauen im Durchschnitt weniger Geld verdienen als Männer – weil sie in schlechter bezahlten Berufen arbeiten und für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt werden und oft in Teilzeit sind – benachteiligt sie das sogar doppelt.

Ja, auch Männer achten mehr und mehr auf ihr Aussehen und nutzen teure Produkte wie zum Beispiel Bartcreme. Ja, es gibt auch Bereiche, wo Männer mehr zahlen, in Clubs oder Bars zum Beispiel oder auf bestimmten Datingportalen. Und ja, teure Parfüms und Kosmetik sind oft Geschenke von Männern für Frauen. Dann zahlen die Männer die überhöhten Preise. Ganz genau deshalb sollten alle Geschlechter gemeinsam ein Interesse daran haben, dass es kein „Gender Pricing“ gibt. Wie immer nützt das Patriarchat nur einzelnen Akteuren mit viel Macht. Für den Rest der Menschheit wäre das Leben ohne ein besseres.

Sigrid Tinz