23.10.2024

Pro und Kontra Landwirtschaft

Dr. Elisabeth Legge

Deutschland ist im Wahlkampfmodus. Das bekommt auch die Landwirtschaft zu spüren. Die ersten Parteien positionieren sich für die Landwirtschaft, andere allerdings dagegen.

Die nächste Bundestagswahl ist zwar erst in gut einem Jahr, aber der Wahlkampf hat längst begonnen. Die einzelnen Parteien warten mit Wahlversprechen auf. Und sie positionieren sich auch beim Thema Landwirtschaft – die einen für die Landwirtschaft und die anderen eher gegen sie.

Ein klares Bekenntnis zur Landwirtschaft gibt es von CDU und CSU. Wie bereits in der letzten LZ zu lesen war, will die Union nach einem möglichen Regierungswechsel die Streichung der Agrardieselvergütung rückgängig machen. Das hat jedenfalls Kanzlerkandidat Friedrich Merz angekündigt. Außerdem zeigt er sich offen gegenüber neuen Züchtungstechniken und will das „plakative Gegeneinander“ von ökologischer und konventioneller Landwirtschaft beenden. Und die CSU – nachzulesen auf S. 9 – liebäugelt mit dem Agrarressort. Das Bundeslandwirtschaftsministerium gehöre mal wieder in die Hände der CSU, dies hat Parteichef Markus Söder beim CSU-Parteitag am vergangenen Wochenende in Augsburg angekündigt. Also ein klares Bekenntnis zur Landwirtschaft.

Gegen die Landwirtschaft schießt derzeit die SPD, konkret Bundesarbeitsminister Hubertus Heil. Bereits im September hat er angekündigt, dass der Mindestlohn auf bis zu 15 € im Jahr 2026 ansteigen soll. Die SPD hat nun ihre Forderungen nach einem höheren Mindestlohn noch einmal bekräftigt. „Wir sind dafür, dass der Mindestlohn zügig und schrittweise auf 15 € steigt“, heißt es in einem Beschluss, den der Parteivorstand kürzlich in seiner Klausur verabschiedet hat (siehe S. 9). Ein höherer Mindestlohn sei gerecht und erhöhe die Kaufkraft in Deutschland, so die Auffassung der Sozialdemokraten.

Eine weitere Erhöhung des Mindestlohns stößt bei Wirtschaftsverbänden und Opposition auf Ablehnung. Bereits im letzten Wahlkampf hat die SPD eine Erhöhung des Mindestlohns versprochen und ist damit auch gut gefahren: Sie hat die Bundestagswahl gewonnen. Die Gefahr, dass sie mit ihrem Plan zur Mindestlohnerhöhung durchkommt, ist leider erneut groß, zumal ein Großteil der Bevölkerung für die Erhöhung ist. Aber kann die Wirtschaft in Deutschland einen ­solchen Mindestlohn überhaupt verkraften? 15 € pro Stunde – das ist eine ganze Menge. Die wenigsten Wirtschaftsbereiche dürften hier mithalten können – weder die Autoindustrie, noch die Solarwirtschaft und auch nicht die heimischen Obst- und Gemüseanbauer.

Streng genommen darf die Politik weder Lohnerhöhungen vornehmen noch Druck auf die Mindestlohnkommission ausüben. Aber das will die SPD anscheinend. Denn mit deren letzten Beschluss, der schrittweisen Anhebung auf 12,41 € beim Mindestlohn derzeit und auf 12,81 € zum Januar 2025, waren die Sozialdemokraten und auch die Gewerkschaften überhaupt nicht einverstanden. Die SPD sollte sich vielleicht einmal vor Augen halten, dass die Mindestlohnkommission unabhängig ist und dass sie ohne politische Einmischung ihre Arbeit verrichten sollte. Die Festsetzung der Lohnhöhe muss auch weiterhin den Sozialpartnern überlassen bleiben.

Für die rheinischen Obst- und Gemüsebaubetriebe hätte eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 € jedenfalls fatale Folgen. Schon jetzt befinden sich die Betriebe in einer äußerst schwierigen Lage. Deutschland rangiert beim Mindestlohn in Europa nach Luxemburg, den Niederlanden und Irland auf Platz 4 bei der Lohnskala. Die von der SPD im Wahlkampfmodus geforderte Erhöhung des Mindestlohns auf bis zu 15 € im Jahr 2026 könnte für viele Betriebe das wirtschaftliche Aus bedeuten. Die Wettbewerbsbedingungen auf dem europäischen Markt sind für deutsche Landwirte durch die höheren Mindestlöhne deutlich härter als in vielen anderen EU-Ländern. Während die Hauptkonkurrenten aus Südeuropa und Nordafrika unter deutlich niedrigeren Lohn- und Sozialstandards produzieren können, müssen die Betriebe hierzulande mit immer weiter steigenden Kosten rechnen. Die Erhöhung des Mindestlohns käme dann noch obendrauf und gefährdete die Betriebe zusätzlich. Machen wir uns nicht vor: Sollten die Pläne von Minister Heil so umgesetzt werden, ist der Anbau von Obst und Gemüse in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig.

Die SPD sollte sich über die Folgen einer Mindestlohnerhöhung bei den Obst- und Gemüsebaubetrieben im Klaren sein. Sind die Betriebe nicht mehr wettbewerbsfähig, sind die Verbraucher zunehmend auf importierte Waren angewiesen, die oft unter deutlich niedrigeren Sozial- und Umweltstandards produziert werden. Will man das, will man eine stärkere Abhängigkeit von Produkten aus dem Ausland? Solche Abhängigkeiten sind doch eher nicht gewollt. Das ist doch eigentlich eine der Lehren, die wir aus der Coronazeit mitgenommen haben. Die heimische Landwirtschaft ist und bleibt systemrelevant. Der SPD scheint das allerdings nicht bewusst zu sein, zumindest bislang nicht.