11.06.2025

Raus aus der Unsichtbarkeit

Kathrin Fries

Gesehen und wertgeschätzt werden – das war ein zentrales Anliegen der Teilnehmenden am dritten Deutschen Hauswirtschaftskongress (siehe S. 50). Wie die vielen Frauen und einige Männer mit den vielfältigen Herausforderungen ihres Berufsbilds umgehen und wie sie nach einer Balance zwischen persönlicher Verantwortung und politischer Verbandsarbeit für die Ausrichtung in die Zukunft suchen, macht Mut.

Als es vor 100 Jahren die ersten Meisterinnen der Hauswirtschaft gab, war das ein Schritt der Emanzipation. Die Männer wurden für ihre Arbeit außer Haus bezahlt, die Arbeit der Frauen im und am Haus blieb selbstverständlich und unbezahlt und damit lange unsichtbar. Mit dem Weg, Hauswirtschaft zu einem Ausbildungsberuf nach handwerklichem Muster zu machen, sollte deutlich werden, wie viele Aufgaben es gibt, die da von den Frauen im Stillen geleistet werden. Man könnte meinen, dass 100 Jahre ausreichen, um am damaligen Bild einiges zu ändern und der professionalisierten Hauswirtschaft den zentralen Stellenwert zu geben, der ihr in unserem gesellschaftlichen Rahmen eigentlich zustehen würde. Leider muss dieser Satz aber immer noch im Konjunktiv stehen.

Noch immer wissen zu viele Menschen nicht, was Hauswirtschaft alles beinhalten kann und was alles wegbrechen würde, wenn diese Menschen von heute auf morgen ihre Arbeit niederlegen würden. Noch immer arbeiten viele Hauswirtschaftende im Unsichtbaren, mit „dem Menschen im Mittelpunkt“, wie es bei der Landwirtschaftskammer NRW online in der Überschrift heißt, aber ohne groß aufzufallen. Sie sorgen geräuschlos für einen reibungslosen Ablauf.

Noch immer gibt es hierzulande auch Denkmuster, die der hauswirtschaftlichen Unterstützung in Privathaushalten entgegenstehen: „Was denken denn die Leute, wenn ich meine Bügelwäsche/Gartenarbeit/Einkaufsfahrt mit Oma/Putzerei/… von anderen machen lasse?“ oder „Dafür braucht es doch keinen Profi, das kann doch jeder!“ oder „Warum jemanden offiziell dafür anstellen, geht doch als Freundschaftsdienst mit kleiner, bar bezahlter Aufwandsentschädigung …“. Sätze, die sich in den vergangenen 100 Jahren eher in der Wortwahl als in den Inhalten verändert haben und die viele als innere Stimme hören.

Was es braucht? Zum einen mehr ausgebildete Kräfte – hier setzt die Möglichkeit der Teilqualifizierung an. Dafür ist aber auch ein Imagewandel nötig. Dabei ist die Vielseitigkeit der Hauswirtschaft He­raus­for­de­rung und Chance zugleich. Denn es ist gar nicht so leicht, alles aufzuzählen, was Hauswirtschaft ausmacht. Dadurch kann aber auch jeder seine Nische finden. Um das zu vermitteln, sollen – so der Auftrag aus dem Kongress – die Teilnehmer mit den Jobcentern und Bildungsträgern vor Ort den Kontakt pflegen. Außerdem kann man sich international einiges abschauen, auch in der Gesetzgebung.

Und dann braucht es nicht unbedingt den einen großen Wurf, auf den alle warten, sondern viele kleine Schritte. In den Vorträgen wurde das Bild des Klettverschlusses genutzt. Mit vielen kleinen, einzelnen Häkchen verbindet er. So sei es auch mit den Hauswirtschaftenden, von denen jeder Einzelne in seiner täglichen Arbeit etwas beiträgt. Aktionen, die allein gesehen wenig Kraft haben mögen, aber durch die Masse ihr Ziel erreichen. Botschafter für Nachhaltigkeit zu sein, zum Beispiel. Jeder könne in seinem Berufsalltag kleine Entscheidungen treffen, die ressourcenschonend sind, und am besten noch darüber ins Gespräch kommen mit den Patienten, Klienten, Kunden oder wie auch immer gerade im jeweiligen Kontext die korrekte Bezeichnung ist. In praktisch angewendeten Häppchen vorleben, wie es mit der Nachhaltigkeit klappen kann. Das nimmt die Überforderung bei dem Thema.

Auch Wertschätzung kann im Alltag ausgedrückt werden und dabei für jeden im Kleinen, dadurch aber auch im Großen einiges bedeuten. Das zeigte der tosende Applaus, mit dem sich die Teilnehmenden beim Team des Maternushauses bedankten – denn alle im Saal wussten, welche Arbeit hier geleistet wurde. Sich so auf Augenhöhe zu begegnen, zu bestärken und zu zeigen, dass man gesehen wird, ist etwas, das sicher nicht nur im Bereich Hauswirtschaft wichtig ist. Kleine und große Zeichen der Wertschätzung wünschen sich auch viele in der Landwirtschaft und der Landfrauenarbeit.

Dass es aber neben diesem persönlichen Engagement auch die politische Arbeit braucht und nach 100 Jahren immer noch dicke Bretter gebohrt werden müssen, darf nicht vergessen werden. Letztendlich braucht es keine salbungsvollen Worte einer abwesenden Schirmherrin, sondern aktive Unterstützung. Alle Anwesenden wüssten, was besser sein müsste, erklärte Ursula Schukraft, Präsidentin des Deutschen Hauswirtschaftsrates. Es helfe nicht, darüber zu jammern, sondern es gelte anzupacken. Ein Ansatz, der nicht nur in der Hauswirtschaft gelten sollte. Die engagierten Berufsvertreter dabei nicht alleinzulassen, sondern den passenden Rahmen zu schaffen, ist dann aber auch eindeutig Aufgabe der Politik und der Gesellschaft.