17.04.2024

Schon mal nachgerechnet?

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Die Streichung der Steuerrückerstattung beim Agrardiesel belastet die landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland künftig mit mehreren Hundert Millionen Euro. Nicht minder stattlich sind die Beträge, die allein die Betriebe im Rheinland jährlich für Pachtzahlungen aufwenden.

Es ist wahrscheinlich eine einzigartige Kombination von Fähigkeiten, die Landwirtinnen und Landwirten immer wieder hilft, mit schwierigen Situationen klarzukommen. Sie können improvisieren. Sie sind fleißig. Sie haben Widerstandskraft. Und unter ihnen gibt es immer welche, die in scheinbar ausweglosen Konstellationen einen Weg finden, irgendwie zurechtzukommen. Letzteres könnte man jedenfalls aus einer Meldung schlussfolgern, die das Statistische Bundesamt in der vergangenen Woche zu einer bundesweiten Auswertung der Pachtpreise veröffentlicht hat.

Kaum erstaunlich ist, dass Nordrhein-Westfalen laut der Behörde mit 560 € je ha und Jahr unangefochten an der Spitze des Rankings steht. Schließlich dauert das Ringen um Fläche in den veredelungsstarken Regionen im Münsterland oder am Niederrhein seit Jahren an. Darüber hi­­naus hat ein starker und intensiver Gemüse- und Obstbau im Rheinland Tradition. Und bester Boden wie in der Köln-Aachener Bucht hat nun einmal seinen Preis. Wenn dann noch Wohnungsbau und Infrastrukturmaßnahmen, Rohstoffabbau und Naturschutz die Flächenkonkurrenz verschärfen, schlägt das natürlich auch auf den Pachtmarkt durch.

Erstaunt hat mich die Meldung der Statistiker eher insofern, dass der landesweite Durchschnittspreis doch weit unter den Höchstpreisen liegt, von denen jeder im Rheinland schon gehört hat. Die finden sich schließlich in der Statistik. Dieser zufolge sind es im Rheinland vor allem die ganz großen und die ganz kleinen Betriebe, die Spitzenpreise berappen. Sowohl in der Größenklasse unter 5 ha als auch in der Größenklasse über 500 ha überstiegen im Vorjahr die Durchschnittspachten 1 000 €/ha. Den Schnitt für das gesamte Rheinland dürften vor allem die Randlagen der Mittelgebirge drücken. Mit den Plänen, die Errichtung von Solarparks auf solchen landwirtschaftlichen Flächen zu erleichtern, dürften aber auch dort die Preise anziehen. 3 000 €/ha sind andernorts üblich. Das dürfte auch die unterste Schwelle künftiger Angebote markieren. Kommunen und Landwirtschaft versuchen deswegen, mit gemeinsamen Vereinbarungen zu Solarparks gegenzusteuern, damit der regionale Flächenmarkt nicht ins Kraut schießt. Ihnen ist zu wünschen, dass sie das schaffen. Denn wenn dort die Preise einen kräftigen Schub bekommen, verschärft das die Kostensituation von Betrieben mit Milchvieh oder Mutterkühen massiv; mit Folgen für die Attraktivität dieser Kulturräume.

Dabei war der Schub, den die Pachtpreise in den zurückliegenden Jahrzehnten erfahren haben, bereits beachtlich. Seit 2010 sind sie im landesweiten Durchschnitt um zwei Drittel angestiegen. Auch der Anteil der gepachteten Fläche an der landwirtschaftlichen Nutzfläche hat spürbar zugenommen. Von 10 ha sind heute nur 4 ha im Eigentum des bewirtschaftenden Betriebs, 6 ha gehören anderen. Vor einem Jahrzehnt war das Verhältnis noch umgekehrt. Unter dem Strich stiegen so Jahr für Jahr die Kosten für die hiesigen Betriebe beständig dafür an, dass sie den Boden unter ihren Füßen bewirtschaften konnten. Und das ist das eigentlich Erstaunliche hinter den Statistiken: dass die rheinische Landwirtschaft in ihrer Gesamtheit heute allein Pachtzahlungen in Höhe von mehr als 100 Mio. € im Jahr zu verkraften hat.

Noch erstaunlicher ist für mich, dass der Großteil es anscheinend sogar schafft, solche Lasten auf Dauer zu schultern. Ausdrücklich ausnehmen will ich dabei allerdings die Fälle, bei denen man sich ernsthaft fragt: Kann das noch wirtschaftlich sein, was mancher an Pacht hinzublättern bereit ist? Oder spielen völlig andere Überlegungen eine Rolle, wenn jemand in einem fort alle anderen mit Höchstpreisen auszustechen versucht? Solche Fälle kennt sicher jeder. Um die geht es mir ausdrücklich nicht, sondern um sozusagen die statistische Mehrheit, also um die Fälle, denen es trotz unsicherer Preise über Jahre irgendwie gelingt, mit steigenden Pachtpreisen zu wirtschaften und zu überleben. Sie sind für mich das Musterbeispiel für die eingangs angeführten Tugenden. Diese Tugenden haben aber leider eine Kehrseite. Denn ich befürchte, dass sie Teil des Kalküls mancher Politiker sind, wenn es darum geht, den Betrieben noch etwas mehr zuzumuten. Denn die scheinen das am Ende immer wieder wegzustecken. Allerdings seien sie gewarnt, denn ein Sprichwort besagt: Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.