24.04.2024

Sie haben die Wahl

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

In knapp sechs Wochen werden die Abgeordneten zum EU-Parlament gewählt. Bis dahin werden die Kandidatinnen und Kandidaten auf zahlreichen Veranstaltungen für ihre Anliegen werben. Nur recht wenigen wird es gezielt um die Anliegen der hiesigen Landwirtschaft gehen.

So kommen sie nie wieder zusammen. In dieser Woche hatten die 705 Abgeordneten, die rund 450 Millionen Mitbürgerinnen und Mitbürger aus 27 Staaten vertreten, ihre letzten gemeinsamen Sitzungen im EU-Parlament. Mit wem die Kandidatinnen und Kandidaten, die sich um einen Sitz bewerben, in der kommenden Legislaturperiode in den Plenarsälen in Brüssel und Straßburg Platz nehmen werden, wird sich in knapp sechs Wochen entscheiden. Dann sind die Wahlberechtigten aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. In Deutschland wird am 9. Juni über 96 Sitze abgestimmt.

Mit Blick auf diesen Termin liefern die Organisationen aus Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft quasi im Wochentakt ihre Forderungen ab. Die sind zwar teilweise recht unterschiedlich, manchmal auch widersprüchlich, stellen aber allesamt auf einen Punkt besonders ab: In die Amtszeit des neu gewählten Parlaments fällt die Weichenstellung für die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP). Dabei geht es nicht nur um viel Geld, es dreht sich auch um ideologische und praktische Aspekte.

Zwar scheint es so, dass in den oberen Etagen der EU die Bauernproteste der jüngsten Zeit nachhallen und tatsächlich an der einen oder anderen Stelle ernsthaft ein Abbau von Bürokratie ins Auge gefasst wird. Daneben gibt es aber auch etliche Spielfelder, wo die Praxis befürchten muss, dass zusätzliche Anforderungen an sie gestellt werden. Nur ein Beispiel von mehreren ist die Taxonomie-Verordnung. Dadurch kommen unmittelbar auf Banken als Kreditgeber Pflichten zu, zu dokumentieren und nachzuweisen, wie sie in ihrem Geschäftsbetrieb für Nachhaltigkeit sorgen. Mittelbar träfen die Vorgaben auch die Landwirtschaft, da Kreditgeber von Kreditnehmern zur eigenen Entlastung ähnliche Nachweise einfordern werden. Daneben stellen Befürchtungen, dass ideologische Anliegen überhand nehmen, eine grundsätzlich positive Einstellung vieler Landwirtinnen und Landwirte zur EU auf die Probe. Ob hier Pessimismus angebracht ist oder sie auf die künftigen Abgeordneten aus der Region zählen können, würden viele von ihnen gerne im direkten Diskurs ausloten.

Leider ist zu hören, dass es rheinlandweit vielerorts nicht gelingt, die Bewerberinnen und Bewerber zu Veranstaltungen zu bekommen, in denen es nur um die Landwirtschaft und ihre Anliegen geht. Als Begründung wird eine Vielzahl anderweitiger Verpflichtungen angeführt. Ob dies immer zutrifft oder mangelnde Fachkenntnis dafür sorgt, lieber einen Bogen um die landwirtschaftsspezifischen Themen zu machen, sei dahingestellt. Beides reicht aber nicht als Entschuldigung aus, Landwirtschaft als wichtiges Thema auszusparen. Denn nicht nur ist dieser Wirtschaftssektor derjenige, der politisch am weitestgehenden vergemeinschaftet ist und die dafür im EU-Haushalt vorgesehenen Finanzmittel die größten Begehrlichkeiten wecken; über die Frage, wie Europa Ernährungssicherheit bei Lebensmitteln und Versorgungssicherheit bei Energie sicherstellen kann, muss er im Zentrum der künftigen EU-Politik stehen. Das sollten die Erfahrungen der Coronapandemie und der Krieg Russlands gegen die Ukraine jeden gelehrt haben. Deshalb sollten alle, die ab diesem Sommer im EU-Parlament sitzen, nicht nur eine Meinung über Landwirtschaft haben, sondern sich auch immer wieder mit denen ausei­­nan­dersetzen, die täglich damit zu tun haben.

Die Landwirtinnen und Landwirte sagen Ja zu Europa, aber sie sagen Nein zu überzogenen Auflagen. Deshalb, liebe Leserinnen und Leser, nutzen Sie die Gelegenheit, alle Bewerberinnen und Bewerber um ein EU-Mandat in den nächsten Wochen mit Ihren Herausforderungen und Erwartungen zu konfrontieren. Sagen Sie ihnen, wo der Schuh drückt. Wenn schon nicht auf Veranstaltungen, zu denen die Interessenverbände der Landwirtschaft einladen, dann auf den zahlreichen anderen Veranstaltungen oder im direkten Gespräch. Es geht um Ihre Anliegen, und es geht um Ihre Stimmen!