27.03.2024

Spiel mit dem Rest an Glaubwürdigkeit

LZ-Chefredakteur Detlef Steinert

Der Bundesrat hat am vergangenen Freitag dem Wachstumschancengesetz zugestimmt. Die Chancen für die Landwirtschaft fallen mager aus. Denn statt konkreter Zusagen hat die Bundesregierung nur vage Zusicherungen geliefert.

Am vergangenen Freitag haben die Bundesländer dem im Vermittlungsausschuss ausgehandelten Kompromiss zum Haushaltsfinanzierungsgesetz und zum Wachstumschancengesetz zugestimmt. Wer in den Folgetagen die Schlagzeilen oder Nachrichten verfolgte, hätte fast den Eindruck gewinnen können, es sei damit ein Jahrhundertwerk vollbracht worden. Vom Wachstumschancengesetz profitieren sollten demzufolge Industrie, Handwerk, Mieterinnen und Mieter, Rentnerinnen und Rentner und unzählige andere Bevölkerungsgruppen. Sozusagen der Doppelwumms, den Bundeskanzler Olaf Scholz einst beschworen hatte. Doch selbst der Regierungschef scheute dann eine solch monströse Wortwahl. Denn das Gesetz ist beileibe kein Wumms, höchstens ein Wümmslein. Von den vormals in Rede stehenden Entlastungen in mehrstelliger Milliardenhöhe für Deutschlands Haushalte und Unternehmen sind ein paar Milliärdchen übriggeblieben. Der Applaus, den die Wirtschaftsverbände spendeten, war so weniger dem Ausmaß der vorgeblichen Entlastungen geschuldet als vielmehr, dass überhaupt endlich mal etwas vorangeht. Skepsis ist angebracht, wie schnell und wie weit das dann tatsächlich geht.

Obwohl selbst Teil der Wirtschaft sprangen am Freitag für einen Wirtschaftssektor ohne Zweifel weder Chancen noch Wachstum he­­raus. Eher geht es für ihn sogar noch darum, Nachteile und Schrumpfen zu vermeiden. Entlastungen für die Landwirtschaft stehen nämlich nur auf dem Papier und das auch noch in sehr schwammigen Begrifflichkeiten. So liefert das Zehn-Punkte-Papier, das die Bundesregierung noch flugs am Vorabend der Abstimmung im Bundesrat vorgelegt hatte, keine Zusicherungen, sondern vor allem ergebnisoffene Prüfaufträge. Vor dem Hintergrund der Proteste zehntausender Bäuerinnen und Bauern in den zurückliegenden Monaten sollte damit allerdings auch weniger deren Zorn befriedet werden; mit dem Papier sollten vor allem die Bundesländer umschmeichelt werden, die ihre Zustimmung zu dem Wachstumschancengesetz von Zugeständnissen in Sachen Agrar­diesel abhängig gemacht hatten.

Bundeskanzler Olaf Scholz, sein Vize Dr. Robert Habeck und sein Finanzminister Christian Lindner bleiben konkrete Zusagen schuldig. Sie frusten damit nicht nur die Bäuerinnen und Bauern sowie deren Vertreter. Statt eines fairen Umgangs mit ihren Sorgen nehmen die eine Gleichgültigkeit wahr, die sie so ähnlich schon im Herbst kennengelernt haben, als die Regierungsspitzen die Abschaffung der Steuerrückerstattung für Agrardiesel verkündet haben. Nun düpiert die Bundes­regierung jedoch nicht nur die Bäuerinnen und Bauern, sondern mit ihnen auch die Politikerinnen und Politiker aus den Bundesländern, die sich für die bäuerliche Sache eingesetzt haben.

Die Bauernverbände drängen zu Recht da­­rauf, dass – auch aus Gründen der Chancengleichheit gegenüber den anderen EU-Staaten – dringend Kompensationen in mindestens vergleichbarer Größenordnung wie die Einbußen beim Agrardiesel erfolgen müssen. Landespolitiker und Berufsvertretung müssen die Regierungskoalition deswegen auch an deren eigenes Versprechen erinnern, dass sie bis zur Sommerpause ein Entlastungspaket für die Landwirtschaft schnüren will. Die zehn Punkte, die vergangene Woche vorgelegt wurden, sind ein spärlicher Anfang. Mehr nicht. Die Maßnahmen, auf die sich die Bundesregierung laut Protokollerklärung verständigt hat, müssen jetzt rasch mit konkreten und verlässlichen Zahlen sowie einem verbindlichen Fahrplan hinterlegt werden. Dessen Startpunkt darf dabei nicht erst mit dem Beginn des Wahlkampfes zur Bundestagswahl im September 2025 zusammenfallen. Ansonsten verspielt die Bundesregierung den kärglichen Rest an Glaubwürdigkeit bei den Wählerinnen und Wählern auf dem Land.