Zuckerrüben Journal Nr. 3/2015 - page 4

4
|
Zuckerrübenjournal
LZ 32 · 2015
A K T U E L L E S
P O L I T I K | M A R K T | B E T R I E B S W I R T S C H A F T | A N B A U | T E C H N I K | Z U C K E R |
Bedingungen für stabile Rahmenbe-
dingungen zu sorgen. Pochen müsse
man auf die Zusage, dass EU-Zucker ab
2017 ohne Mengenbegrenzung expor-
tierbar sei. Parallel müsse der EU-
Markt vor weiterem zunehmend un-
kontrolliertem Freihandel geschützt
werden. Als Benachteiligung der deut-
schen Anbauer kritisierte Rukwied ge-
koppelte Rübenbeihilfen innerhalb
der EU, die aus deutscher Sicht einen
Wettbewerbsnachteil darstellen.
Kurz ging Rukwied auch noch auf
die aktuelle Problemlage am Zucker-
markt mit einem dramatisch niedrigen
Preisniveau ein. Er forderte zeitnahe
Unterstützungsmaßnahmen der EU-
Agrarpolitik, beispielsweise die soforti-
ge Abschaffung der Produktionsabgabe
oder Beihilfen zur privaten Lagerhal-
tung, wie sie die noch geltende Zucker-
marktordnung ausdrücklich zulasse.
Absage an Zuckersteuer
In seiner Rede erkannte Bundesland-
wirtschaftsminister Christian Schmidt
die aktuell schwierige Lage der Zu-
ckerbranche an. „Rote Zahlen“ bei den
Zuckerunternehmen würden auch die
Bauern erreichen. Um sich ein mög-
lichst gutes Bild über die Situation zu
verschaffen, haben die EU-Agrarminis-
ter eine Expertengruppe ins Leben ge-
rufen. Schmidt führte aus, dass es kei-
ne Produktionsausdehnung durch ge-
koppelte Zahlungen geben dürfe.
Skeptisch bewertete er die Chancen
auf eine sofortige Abschaffung der Pro-
duktionsabgabe, da hierdurch die
Haushalte aller Mitgliedstaaten betrof-
fen wären. Optimistischer beurteilte er
die Chancen, Beihilfen zur privaten
Lagerhaltung von Zucker zu erhalten.
Der Bundeslandwirtschaftsminister
erteilte Forderungen aus Kreisen der
SPD nach einer Zuckersteuer eine ein-
deutige Absage. Abschließend nannte er
es als Ziel seines Ministeriums, das aktu-
elle Rübenzuckerproduktionsniveau in
Deutschland und der EU zumindest zu
erhalten, siehe auch Interview Seite 5.
Risikofaktor Wechselkurse
Nach dem zuckerpolitischen Schwer-
punkt standen Fragen der künftigen
Entwicklung auf den internationalen
Zuckermärkten im Fokus. Fachleute der
International Sugar Organization (ISO),
der EU-Kommission und verschiedener
Zuckeranalystenhäuser stellten ihre
Marktanalysen und Prognosen vor. Da-
nach ist in der EU von einem eher mo-
deraten Anstieg der Isoglukoseverwen-
dung anstelle von Saccharose auszuge-
hen. Das Ende des Quotensystems wird
als Chance für wettbewerbsfähige An-
bauregionen angesehen, ihre Produkti-
on auszudehnen. Ein kaum kalkulierba-
res Risiko für die europäischen Erzeu-
ger liege allerdings in Wechselkurs-
schwankungen zwischen brasiliani-
schem Real, US-Dollar und Euro.
Der Zuckermarktpreis in der EU
werde auf absehbare Zeit zwar immer
oberhalb des Weltmarktpreises liegen,
aber infolge des gestiegenen Wettbe-
werbs stärker unter Druck stehen als
früher. Der Einfluss des Weltmarkt-
preises auf den EU-Binnenmarktpreis
werde wachsen. Dieser, der Welt-
marktpreis, läge nach vier Jahren mit
meist deutlichen Erzeugungsüberhän-
gen auf einem ebenfalls niedrigen Ni-
veau. Positive Änderungen beim Preis-
niveau auf dem Weltmarkt seien aber
trotz eines im kommenden Jahr abseh-
baren Nachfrageüberhanges allenfalls
mittelfristig zu erwarten, da die Lager-
bestände mittlerweile ein sehr hohes
Niveau von 48 % des Weltjahresbedarfs
erreicht hätten.
Verhandlungsmandat bei
den Anbauerverbänden
Mit Spannung wurde eine Podiumsdis-
kussion erwartet, in der verschiedene
CIBE-Mitgliedsverbände über ihre Zie-
le für die Zeit ab 2017 sprachen. Es zeig-
te sich, dass überall die Branchenver-
einbarungsverhandlungen zwischen
Zuckerunternehmen und Anbauerver-
bänden für die Zeit nach der Quote be-
reits begonnen haben, aber in keinem
Mitgliedstaat bisher ein vollständiger
Verhandlungsabschluss vorliegt. Es war
ein viel diskutiertes Thema, auf wel-
chemWege der Rübenanbau auch in
Zeiten eines temporär schwierigen
Marktumfelds gesichert werden kann.
Dazu scheint es verschiedene Ansätze
zu geben. Rückschritte bei der Rüben-
bezahlung, so die einhellige Meinung
der Anbauervertreter, könne es aber in
keinem Falle geben. Das kollektive Ver-
handlungsmandat der Anbauer wurde
als überaus wichtig bewertet, um die
Interessen der Rohstofferzeuger ange-
messen einbringen zu können. Dass
dies die EU-Kommission genauso sieht
und die relevanten Passagen im Text
der neuen gemeinsamen Marktordnung
auch entsprechend auslegt, machte
Jens Schaps, Direktor in der Generaldi-
rektion Agri der EU-Kommission, in ei-
nem späteren Referat deutlich.
Weitere Themen des Kongresses
waren die Rübenforschung, Nachhal-
tigkeit und Zertifizierung sowie alter-
native Verwertungsmöglichkeiten. Es
war erfreulich zu hören, wie intensiv
derzeit auf den verschiedenen Gebie-
ten der Rüben- und Zuckererzeugung
geforscht wird, um die Wettbewerbs-
fähigkeit von Zuckerrüben und Rüben-
zucker zu verbessern.
Im Bereich der alternativen Ver-
wertungsmöglichkeiten wurden nicht
nur bioenergetische Optionen, wie Bio-
ethanol und Biogas, aufgezeigt, son-
dern auch biobasierte Chemikalien.
Neben den inhaltlichen Informationen
war es insgesamt ein weiteres klares
Signal, dass alle in der Prozesskette
„Zucker“ willens sind, in Europa wei-
ter erfolgreich zu produzieren.
Zum Abschluss verabschiedeten die
Delegierten gemeinsame Kongressreso-
lutionen zu allen aufgeführten Themen,
die Sie unter
herunter-
laden können. Die Einigkeit unter den
europäischen Rübenanbauern stimmte
denn auch CIBE-Präsident Bernhard
Conzen und die meisten Delegierten
zuversichtlich, dass es gelingen wird,
die Herausforderung des größten Para-
digmenwechsels der vergangenen
50 Jahre erfolgreich zu bestehen.
Dr. Peter Kasten
Rheinischer Rübenbauer-Verband e. V.
Auf dem CIBE-
Kongress wurde
intensiv disku-
tiert, hier Elisa-
beth Lacoste,
Generalsekretärin
der CIBE.
Fotos:
Dr. Peter Kasten
Joachim
Rukwied
1,2,3 5,6,7,8,9,10,11,12,13,14,...24
Powered by FlippingBook