Zuckerrüben Journal Nr. 3/2015 - page 7

LZ 32 · 2015
Zuckerrübenjournal
| 7
| Z U C K E R | T E C H N I K | A N B A U | B E T R I E B S W I R T S C H A F T
M A R K T
P O L I T I K | A K T U E L L E S |
Wie bereits hinlänglich bekannt, pro-
duzierte die EU in der letzten Rüben-
kampagne mit 17,7 Mio. t Zucker (ohne
Ethanoläquivalent) rund 2,2 Mio. t
mehr als im Vorjahr. Für 2015/16 ge-
hen wir derzeit von einem Rückgang
um etwa 3 Mio. t aus. Das tatsächliche
Ausmaß des Rückgangs wird natürlich
wesentlich vom Wetter im weiteren
Vegetationsverlauf abhängen.
Lieferrechte nicht genutzt
Das niedrige Preisniveau innerhalb
der EU hat auch deutliche Spuren
beim Zuckerimport hinterlassen. Trotz
ausreichender Verfügbarkeit sind die
ausgereichten Importlizenzen für zoll-
freie Lieferungen aus den Staaten Afri-
kas, der Karibik und des Pazifiks sowie
den ärmsten Ländern der Welt (AKP-
und LDC-Staaten) im Laufe des Wirt-
schaftsjahres 2014/15 bisher um
0,213 Mio. t gegenüber dem Vorjahr ge-
sunken, auf 1,574 Mio. t am 3. Juli. Noch
stärker hat es die sogenannten CXL-
Importe getroffen, das ist WTO-konfor-
mer Zucker, zum Beispiel aus Brasili-
en. Davon gelangt pro Wirtschaftsjahr
0,677 Mio. t zu einem Zollsatz von 98 €
je t in die EU – gegenüber den Stan-
dardzöllen von 419 €/t Weißzucker
und 339 €/t Rohzucker. Weder Brasili-
en noch Australien oder Kuba haben in
den ersten neun Monaten des aktuel-
len Wirtschaftsjahres auch nur eine
Tonne ihrer speziellen Lieferrechte in
Anspruch genommen, da Rohrzucker,
der mit 98 € Zoll belastetet ist, bei den
niedrigen Rübenzuckerpreisen nicht
platziert werden konnte. Insgesamt
waren bis Juni nur 50 000 t CXL-Zu-
cker verkauft, während dieses Kontin-
gent in den Vorjahren gewöhnlich be-
reits zu Beginn des Wirtschaftsjahres
schnell ausgeschöpft war. Angesichts
der erwarteten Preiserholung in der
EU dürfte hier 2015/16 wieder mit stei-
genden Liefermengen zu rechnen sein.
Wie wird die Ernte in Brasilien?
Bezüglich des Weltmarkts stellt sich
für den mittelfristigen Ausblick selbst-
verständlich die Frage nach den Aus-
sichten für die im März angelaufene
brasilianische Ernte 2015/16 in der
Hauptanbauregion im Zentrum und
im Süden, die noch bis November/De-
zember anhalten wird. Zunächst ist
festzuhalten, dass die gesamte brasili-
anische Zuckererzeugung inklusive
des kleineren Anbaugebiets im Nord-
osten zwei Jahre in Folge zurückge-
gangen ist, und zwar von 40,2 Mio. t
Rohwert 2012/13 auf 39,5 Mio. t im
Folgejahr und 37,3 Mio. t 2014/15. Hier-
bei spielte mit Blick auf die vergange-
ne Ernte sowohl die schlimmste Dürre
seit acht Jahrzehnten eine Rolle als
auch der Umstand, dass die schiere Fi-
nanznot viele Mühlen dazu veranlass-
te, mehr Ethanol zu erzeugen, als von
der relativen Vorteilhaftigkeit der
Preise von Zucker und Ethanol eigent-
lich geboten gewesen wäre. Die Ursa-
che hierfür ist, dass sich Ethanol
schneller zu Geld machen lässt als
über den Terminmarkt verkaufter Zu-
cker. Dieser Aspekt ist auch in der
neuen Ernte wieder ein relevanter
Faktor, da bis Ende Juni der Einsatz
von Rohr in der Zuckererzeugung ge-
genüber dem Vorjahr um weitere drei
Prozentpunkte (!) auf nur noch 40 %
gesunken ist. Während die Rohrver-
fügbarkeit in diesem Jahr aufgrund ei-
ner Erholung der Erträge höher ist als
im Vorjahr, wird die starke Präferenz
für Ethanol wahrscheinlich zu einem
Absinken der Zuckererzeugung auf
30 bis 31 Mio. t führen gegenüber
32 Mio. t im Vorjahr. Dies wäre die
niedrigste Zuckermenge in Süd- und
Zentralbrasilien seit 2009/10.
Auch anderswo deuten einige Fak-
toren derzeit auf eine rückläufige Er-
zeugung hin, nicht zuletzt aufgrund
des gefürchteten El-Nino-Wetterphä-
nomens, das in weiten Teilen Asiens
oft mit zu geringem Niederschlag, in
Brasilien aber tendenziell mit über-
durchschnittlichem Regenfall wäh-
rend der Rohrkampagne (und damit
Vermahlungsunterbrechungen und
Zuckergehaltsverlusten) verbunden ist.
Aus Thailand, dem weltweit zweit-
größten Exporteur, werden derzeit er-
hebliche Dürreschäden gemeldet,
während Indiens amtliches Wetter-
institut einen stark unterdurchschnitt-
lichen Monsun für Juni bis September
prognostiziert hat. In China haben die
Bauern aufgrund gesunkener Preise
die Rohranbaufläche erheblich redu-
ziert. Summa summarum gehen wir
unter den zehn größten Zuckerprodu-
zenten der Welt derzeit nur im Falle
Australiens und Russlands (10 % mehr
Rübenfläche) von einer höheren Zu-
ckererzeugung als im Vorjahr aus, so-
dass sich bei weiter steigender welt-
weiter Nachfrage 2015/16 mit großer
Wahrscheinlichkeit das erste Defizit
seit 2009/10 ergeben dürfte. Ist somit
von steigenden Preisen auszugehen?
Grafik: Weißzuckerpreis: London (€/t)
250
300
350
400
450
500
550
600
650
01.07.2011
01.07.2012
01.07.2013
01.07.2014
01.07.2015
Quelle: F.O. Licht Interactive Data
Der zukünftige
Zuckerpreis auf
demWeltmarkt
wird maßgeblich
von den wirt-
schaftlichen und
politischen Bedin-
gungen in Brasili-
en beeinflusst
werden.
Fotos: Landpixel
1,2,3,4,5,6 8,9,10,11,12,13,14,15,16,17,...24
Powered by FlippingBook