Bilanzen und Ausblicke
RLV-Vorstand tagte in Bonn
„Es liegen bewegte Zeiten zwischen den Jahren hinter uns und wir stehen vor den Herausforderungen der Bundestagswahl“, konstatierte Bernhard Conzen, Präsident des Rheinischen Landwirtschafts-Verbandes (RLV), vergangene Woche anlässlich der Vorstandssitzung des Verbandes. Zwar umriss er am Ende seines Berichts zur aktuellen agrarpolitischen Lage gleichzeitig den Rahmen der weiteren Tagesordnungspunkte an diesem Tag. Denn die Referentin und die beiden Referenten warfen jeweils einen Blick zurück auf das bisherige Geschehen und das, was zu erwarten oder notwendig zu tun ist.
So zeigte sich Conzen überzeugt, dass es richtig war, als Verband frühzeitig ein eigenes Positionspapier zur anstehenden Bundestagswahl zu beschließen. Als eine Roadmap mache es den Kandidaten für den Bundestag deutlich, wohin „das Schiff Landwirtschaft steuern soll“. Kernanliegen sei es, eine wettbewerbsfähige Landwirtschaft im Rheinland zu erhalten und zu fördern. Dabei sei man allerdings nicht in allen Punkten deckungsgleich mit dem Deutschen Bauernverband (DBV). So gebe der RLV ein klares Bekenntnis dazu ab, dass die Zahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik (GAP) eine einkommensstützende Wirkung haben müssen. „Angesichts der vielen hohen Standards, die wir haben, benötigen wir einen Einkommensausgleich dauerhaft“, so Conzen.
Kurswechsel oder Rückfall?
Dies habe er auf der Grünen Woche in Berlin auch dem neuen EU-Agrarkommissar Christophe Hansen deutlich gemacht. Dieser habe dort ein positives Bild abgegeben. Allerdings bleibe zu hoffen, dass „er all die positiven Erwartungen, die er im Hinblick auf die Auflagenpolitik der Europäischen Kommission gegeben hat, auch durchhalten“ kann, mahnte Conzen. Denn nach wie vor könne man in Brüssel bei allen Bemühungen, zu weniger Bürokratie zu kommen und die Wettbewerbspolitik wieder in den Mittelpunkt zu stellen, „Rückfälle in Richtung des Green Deals beobachten“. Ob die Kommission zu einem grundlegenden Kurswechsel kommt, werden Conzen zufolge die nächsten Monate zeigen.
„Gewaltige Gefahren“
Conzen nutzte nach eigener Schilderung in Berlin auch die Gelegenheit, auf ein Problem aufmerksam zu machen, dessen wirtschaftliche Dimension „der Politik bis dato scheinbar nicht bewusst“ war – das Auftreten der Schilfglasflügelzikade und der von ihr ausgehenden „gewaltigen Gefahren“ für wichtige rheinische Kulturen. Erste Verdachtsmomente gäbe es im Bereich von Euskirchen und der Rheinniederung bei Dormagen. Deswegen sei man nicht nur mit den Anbauverbänden und der Landwirtschaftskammer, sondern auch mit der Politik und der Industrie auf der Suche nach Lösungen. Berichte aus Österreich deuteten darauf hin, dass ein Insektizid durchaus Wirkung auf die Zikade habe. Es setze aber den politischen Willen voraus, hierfür Notfallzulassungen zu bekommen.
Auch Staatssekretär Dr. Martin Berges ging in seinem Beitrag „Halbzeitbilanz der Landesregierung – wohin steuert die Agrarwirtschaft in NRW?“ auf das Thema ein. Ihm zufolge geht es auf eine Initiative von NRW zurück, dass in der Agrarministerkonferenz (AMK) ein einstimmiger Beschluss gefasst wurde, den Bund aufzufordern die Möglichkeit von Notfallzulassungen zu schaffen. Zur Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag, den Pflanzenschutzmitteleinsatz in NRW zu reduzieren, stellte Dr. Berges klar, dass es nicht um ein Minderungsziel geht. Er kündigte in dem Zusammenhang auch an, dass die Anschaffung moderner Pflanzenschutztechnik demnächst wieder vom Land gefördert wird. Man wolle dies noch in diesem Jahr wieder in das AFP aufnehmen.
An die Grüne Woche anknüpfend stellte Dr. Berges fest, dass die ländlichen Räume auch in der Landespolitik immer stärker sichtbar werden. Das machte er unter anderem daran fest, dass der Auftritt des Bundeslandes auf der Messe in Berlin erstmals eine Partnerregion – die Landkreise am Niederrhein – herausgestellt habe. Spürbar sei das aber auch an der Anwesenheit von Ministerpräsident Hendrik Wüst am Eröffnungsabend des NRW-Beitrags geworden. Dr. Berges verwies außerdem auf die Nähe zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern als Stärke der Landwirtschaft in dem Bundesland: „Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass NRW ein leistungsstarker Standort mit 18 Mio. Verbrauchern vor der Tür ist.“ Darauf sieht er auch das Handeln des Ministeriums für Landwirtschaft und Verbraucherschutz und von Ministerin Silke Gorißen in den zurückliegenden zweieinhalb Jahren ausgerichtet. Seine Bilanz: „Wir haben vieles auf den Weg gebracht, vieles erreicht und vieles anstoßen können.“
Als weiteres Beispiel der erfolgreichen Arbeit führte er an, dass es ohne den Druck von NRW im Bund gar nicht mehr möglich gewesen wäre, den Erschwernisausgleich Pflanzenschutz im Zuge des Insektenschutz-Pakets fortzuführen. Darüber hinaus habe NRW daran mitgearbeitet, dem Bund über 190 Vorschläge für den Abbau von Bürokratie im Agrarbereich vorzulegen, darunter auch die Forderung, das Tierhaltungskennzeichnungsgesetz zu überarbeiten. Allerdings, so mahnte Dr. Berges, bei allen Ideen zum Bürokratieabbau müsse man immer das Ende bedenken. Nicht in allen Fällen käme etwas Besseres nach, wenn eine Regelung wegfällt.
„Bedenke das Ende!“
Dies wurde auch in der Diskussion deutlich, in der Dr. Berges auf ein Urteil zur Niedersächsischen Düngeverordnung angesprochen wurde. NRW beobachte den Fall zwar sehr genau, weil es auch in NRW Klagen gebe. Der Staatssekretär gab sich mit einer Wertung allerdings zurückhaltend, weil die Urteilsbegründung des zuständigen Oberverwaltungsgerichts bis dato noch nicht vorgelegen hatte.
Über die Entwicklungen auf den Agrarmärkten sowie im Zusammenhang mit dem aktuellen Fällen von Maul- und-Klauenseuche berichteten bei der Sitzung des RLV-Vorstands noch Dr. Thomas Böcker beziehungsweise Dr. Nina Gresner von der Landwirtschaftskammer NRW.
ds