Zuckerrübenjournal 1/2012 - page 10

A k t u e l l e s
P o l i t i k M a r k t B e t r i e b s w i r t s c h a f t   
A n b a u
   T e c h n i k Z u c k e r
10 
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Z U C K E R R Ü B E N
J O U R N A L
LZ 9 · 2012
Dr. Willi Kremer-
Schillings
Journal:
Seit der Kampagne 2011 ist es
im Rheinland erlaubt, auch entblätterte
Rüben in die Zuckerfabriken zu liefern.
Daher wurde eine Änderung in der Bran-
chenvereinbarung vorgenommen. Was
war Ihre erste Reaktion als Praktiker, als
Sie davon erfahren haben?
Kügelgen:
Erst einmal war ich positiv
überrascht, weil das ja für uns Landwirte
einen Mehrertrag bedeutet. Auf den Kauf
unseres Grimme-Roders hatte das aber
erst einmal keinen Einfluss. Uns hat die
schonende Behandlung der Rüben und
das Radrodeschar mehr interessiert.
Journal:
Wann und wie haben Sie sich
entschieden, die Rüben zu entblättern?
Sie roden zurzeit rund 400 ha, aber Ihre
Kunden mussten ja auch mitmachen.
Kügelgen:
Das ging relativ einfach und
demokratisch: Wir haben uns zusam-
mengesetzt und gemeinsam überlegt, ob
sich das für uns lohnt. Letztlich haben
uns die Zahlen überzeugt. Und dass Rü-
benbauer-Verband und Zuckerfabrik da-
hinterstanden, hat die Entscheidung
auch positiv beeinflusst.
Kremer-Schillings:
Nun ja, wir als Zucker-
fabrik haben uns aus dieser Diskussion ei-
gentlich herausgehalten. Beim Entfernen
des Rübenblattes soll jeder nach seiner
Fasson selig werden. Für uns als Fabrik
zählt das Ergebnis, nicht das Verfahren. Es
spielt keine Rolle, ob Entblättern, Micro-
topping oder knappes Köpfen – das Grü-
ne muss weg. Leider war das Ergebnis
manchmal nicht so, wie wir es uns ge-
wünscht hätten. Manch einer hat ge-
meint, das Blatt könnte auch noch dran-
bleiben.
Kügelgen:
Es ist ja auch nicht möglich,
nach dem Köpfschnitt die Blattreste weg-
zubekommen, weil keine Putzerwelle
mehr folgt. Die Blattreste sehen wirklich
nicht schön aus. Beim Entblättern sind
auch die kleinsten Blattreste weg.
Journal:
Wie ist die Praxis denn mit den
Abzügen bei den entblätterten Rüben zu-
rechtgekommen? Der pauschale Kopfab-
zug bei enblätterten Rüben beträgt ja
4 %.
Kügelgen:
In der Praxis hatten die Betrie-
be mit Entblätterung einen Kopfanteil im
Schnitt zwischen 3,4 und 3,8 %. Die 4 %
wurden nie durchgehend vergeben. Da-
mit sind wir zufrieden.
Journal:
Wie hat denn das Entblatten in
der Praxis funktioniert? Wie sieht es zum
Beispiel mit den unterschiedlichen Kopf-
ansätzen der verschiedenen Sorten oder
mit unterschiedlich gewachsenen Be-
ständen aus? Kleine Rüben, die hinter
großen Rüben stehen, sind ja schwierig
zu erfassen.
Kügelgen:
Das war kein Problem. Alle Rü-
ben, große und kleine, waren sauber ge-
putzt. Das war vorher bei unserem Hol-
mer-Roder ein Problem, besonders wenn
zu schnell gefahren wurde. Und von Ropa
hört man Gleiches. Was die Sorten an-
geht, so haben wir bei Rüben mit sehr
schmalem, hohem Blattansatz auch
schon mal eine Ananas produziert. Aber
das ist ja auch erlaubt.
Kremer-Schillings:
Die gibt es beimMicro-
topping auch, wenn oben durch den
Blattansatz geschnitten wurde. Und dann
bleibt oft auch noch mehr Blatt an der
Rübe. Das ist aber auch nicht immer so,
das scheint sehr von der Einstellung der
Maschine und der Einstellung des Fahrers
abzuhängen.
Journal:
Wie schnell kann man denn nun
beim Entblättern fahren?
Kügelgen:
Dieses Jahr ist da nicht sehr ty-
pisch. Unser Problem war eher der trocke-
ne, harte Boden. Am Anfang der Kampag-
ne, als es noch nicht so trocken war, sind
wir so um die 6,5 km/h gefahren, später
auch langsamer. Wir wollten ja auch alles
ernten, was gewachsen ist. Und erst beim
Weizensäen hat so manch einer gesehen,
wie viel Wurzelspitzen noch auf dem
Acker geblieben sind. Da hat das Radro-
deschar ganz klare Vorteile. Ansonsten
freuen sich nach der Ernte die Hasen über
die Wurzelspitzen.
Kremer-Schillings:
Langsam fahren ist ja
sehr lobenswert und nicht selbstver-
ständlich. Aber wie rechnet sich das? Was
kostet das Roden mit Entblättern?
Kügelgen:
Wir nehmen gegenüber dem
Vorjahr 10 € /ha mehr für das Roden, weil
Anschaffung und Verschleiß höher sind.
Wir werden vor der nächsten Kampagne
neue Schlegel für den Entblatter anschaf-
fen. Wir haben dieses Jahr 5 l /ha Diesel
mehr verbraucht, aber vor allem, weil wir
tief gerodet haben. Unterm Strich bleibt
aber für den Landwirt deutlich mehr üb-
rig.
Journal:
Die Fabriken haben früher immer
gesagt, dass sie bei entblätterten Rüben
irgendwann die Fabrik abstellen müssten,
davon ist jetzt nichts mehr zu hören. Wie
lief denn jetzt die Verarbeitung mit den
entblätterten Rüben?
Kremer-Schillings:
Wir hatten ja schon Er-
fahrungen aus der Fabrik in Könnern, wo
im letzten Jahr für einige Zeit ausschließ-
lich entblätterte Rüben verarbeitet wur-
den. Pfeifer & Langen hätte den Deal si-
cher nicht gemacht, wenn wir Riesenpro-
bleme erwartet hätten. Eins ist aber auch
klar: Die Saftfarben sind nicht mehr so
gut wie zu Zeiten des Köpfens. Und auch
der Anteil an Raffinose steigt, was des-
halb besonders kritisch ist, weil Raffinose
die technische Ausbeute senkt, im Rüben-
labor aber als Saccharose gemessen wird.
Unsere Techniker haben mittlerweile aber
gelernt, auch aus entblätterten Rüben
noch einigermaßen anständig Zucker zu
machen. Und es sind ja derzeit noch nicht
viele, die im Rheinland entblättern. Wenn
das mal alle machen sollten, wonach es
derzeit nicht aussieht, kann das wieder
anders sein.
Journal:
Und wie sieht es im Rest Europas
aus? Ist Entblatten dort ein Thema?
Kremer-Schillings:
Man darf wohl mit Fug
und Recht sagen, dass Pfeifer & Langen
und der Anbauer-Verband in Könnern
Vorreiter waren. Zuerst haben wir alles
andere als Beifall geerntet und mussten
so manche Diskussion mit Kollegen in an-
deren Regionen durchstehen. Und auch
im eigenen Haus waren wir nicht immer
einer Meinung. Sicher ist aber auch, dass
die Niederländer 2012 den Einheitskopf
einführen werden. Und zwar mit 3 % wie
bei uns.
n
Entblättern hat gut funktioniert
Praxiserfahrungen aus der Kampagne
Die erste Kampagne im Rheinland, in der auch entblätterte
Rüben in die Fabriken geliefert werden durften, ist zu Ende.
Welche Erfahrungen haben Praktiker und Fabriken dabei ge-
macht? Ein Gespräch mit Ackerbauer Paul Eugen Kügelgen aus
Nörvenich, der entblätterte Rüben von rund 400 ha geerntet
hat, und Dr. Willi Kremer-Schillings von der Zuckerfabrik Jülich.
Paul Eugen Kügelgen
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