Zuckerrübenjournal 1/2012 - page 5

LZ 9 · 2012 
Z U C K E R R Ü B E N
J O U R N A L
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Z u c k e r t e c h n i k A n B A u B e t r i e B s w i r t s c h A f t M A r k t
P o l i t i k
A k t u e l l e s
Dabei kam es immer wieder zu Einschnit-
ten in das System, sei es durch Einfüh-
rung der Sondertilgungs- und der Ergän-
zungsabgabe, durch Abschaffung des La-
gerkostenausgleichs und andere Eingriffe 
mehr. Die mit Ab-
stand größte Re-
form erfolgte je-
doch mit den Be-
schlüssen von 
2006, die eine Re-
duzierung der Pro-
duktionsquoten 
um rund 6 Mio. t, 
eine Preissenkung 
um knapp 40 % für 
die Rübenerzeuger 
und um 36 % für 
die Zuckerindustrie 
zum Inhalt hatten. 
Damit sollte zum 
einen demWTO-
Schiedsspruch zu 
den europäischen 
Zuckerexporten 
Rechnung getragen 
werden, und zum anderen sollte Platz ge-
schaffen werden für zunehmende zoll-
freie beziehungsweise zollbegünstigte 
Einfuhren von Zucker im Rahmen der ver-
schiedenen Präferenzabkommen.
Drastische reform von 2006
Konsequenz daraus war das Aufgeben des 
Rübenanbaus in 125 000 landwirtschaftli-
chen Betrieben der EU, die Schließung von 
83 Zuckerfabriken – das sind 44 % der im 
Jahr 2006 noch bestehenden Zuckerfabri-
ken, der Verlust von rund 20 000 direkten 
Arbeitsplätzen in der Zuckerindustrie und 
der Rückgang des Selbstversorgungsgra-
des von 115 auf 85 %.
So einschneidend die vergangenen Re-
formen auch immer waren, so haben sie 
doch nie an den Kernelementen der Zu-
ckermarktordnung, nämlich der Quoten-
regelung und den Rübenmindestpreisen 
gerüttelt.
Nach der letzten drastischen Reform, 
die die Kommission selbst wiederholt als 
erfolgreich gewertet hat, hätte man ei-
gentlich erwartet, dass den Zuckerrüben-
anbauern und der Zuckerindustrie nun ei-
ne längere Zeit der Anpassung und der 
Konsolidierung eingeräumt wird, schließ-
lich ist die Restrukturierungsphase erst 
2010 zum Abschluss gekommen. Weit 
gefehlt: Anstatt zu sagen, dass es nun 
reicht, setzt die Kommission nun die Axt 
an die Wurzeln des Systems und riskiert 
ohne Not eine weitere Destabilisierung 
der europäischen Zuckerversorgung. 
Übrig bleiben sollen nur noch das System 
der privaten Lagerhaltung und der Refe-
renzpreis für Weißzucker.
noch kein klares Bild
Seit der Vorlage des offiziellen Kommissi-
onsvorschlags zur Gestaltung der Ge-
meinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2013, 
der auch die Abschaffung der Quotenre-
gelung und des Rübenmindestpreises 
zum 30. September 2015 beinhaltet, gab 
es sowohl auf Brüsseler Ebene im Agrar-
ministerrat als auch auf nationaler, deut-
scher Ebene zahlreiche Beratungen zu Zu-
cker. Dabei zeigt sich bis jetzt allerdings 
noch kein klares Bild.
In Deutschland haben die Agrarminis-
ter der Bundesländer bei ihrer Agrarminis-
terkonferenz am 28. Oktober 2011 bei Zu-
cker Planungssicherheit für alle Wirt-
schaftsbeteiligten und die Sicherstellung 
einer ausreichenden Versorgung gefor-
dert. Der EU-Zuckermarkt, so heißt es in 
diesem Beschluss, habe infolge der Re-
form von 2005 tief greifende Strukturan-
passungen vorgenommen, die erst im Jahr 
2010 abgeschlossen wurden. Der Erfolg 
dieser Strukturanpassungen dürfe nicht 
gefährdet werden. Die Abschaffung der 
Quotenregelung sei in einem angemesse-
nen Zeitrahmen und Übergangsprozess 
umzusetzen. Erwartungsgemäß wort-
gleich lautet auch die Stellungnahme des 
Bundesrates von Mitte Dezember 2011.
Damit haben die Bundesländer inner-
halb eines Jahres einen erheblichen, nicht 
nachvollziehbaren Schwenk vollzogen: 
Noch im Dezember 2010 hatte sich der 
Bundesrat nämlich dafür ausgesprochen, 
die bestehenden Marktinstrumente im 
Bereich Zucker nach 2015 beizubehalten 
und bis 2020 darauf zu überprüfen, wel-
chen Beitrag sie zur Erreichung der Ziele 
der GAP weiterhin leisten können. Von ei-
nem Auslaufen der Quotenregelung war 
damals nicht die Rede.
Umso mehr Bedeutung hat vor diesem 
Hintergrund die Position des nordrhein-
westfälischen Landwirtschaftsministers 
Johannes Remmel, der sich anlässlich der 
Mitgliederversammlung des Rheinischen 
Rübenbauer-Verbandes am 1. Februar in 
Bergheim klar für eine Fortsetzung der 
Zuckermarktordnung bis mindestens 
2020 ausgesprochen hat, siehe auch Arti-
kel Seite 6. Auch der Präsident des Deut-
schen Bauernverbandes, Gerd Sonnleit-
ner, plädierte bei dieser Veranstaltung 
 engagiert für eine Verlängerung der ge-
genwärtigen Zuckermarktordnung bis 
mindestens 2020. Damit solle dem Zu-
ckersektor nach der drastischen Reform 
von 2006 ausreichend Zeit gegeben wer-
den, sich an die veränderten Verhältnisse 
anzupassen.
Bundesministerin Ilse Aigner befür-
wortet ebenfalls eine Verlängerung der 
Quotenregelung über 2015 hinaus, aller-
dings müsse sich die Zuckerwirtschaft 
langfristig an der allgemeinen Ausrich-
tung der Gemeinsamen Agrarpolitik ori-
entieren.
Parlament für Verlängerung
Auf europäischer Ebene hat sich das EU-
Parlament im Sommer 2011 mit großer 
Mehrheit für eine Verlängerung der Quo-
tenregelung bis mindestens 2020 ausge-
sprochen. Es bleibt zu hoffen, dass es in 
einer weiteren, für den Sommer 2012 er-
warteten Stellungnahme bei dieser Posi-
tion bleibt.
Im EU-Agrarministerrat gibt es bisher 
drei Blöcke: Für eine Fortsetzung der Quo-
tenregelung nach 2015 haben sich bisher 
13 Mitgliedstaaten, darunter auch 
Deutschland und andere große Länder 
wie Frankreich und Polen, ausgesprochen. 
Dieser Block kommt zusammen auf 206 
Stimmen. Gegen eine Fortsetzung der 
Zuckerpolitik: wie geht’s weiter?
Viele unterschiedliche Positionen zur Zuckermarktordnung
nach der reform ist vor der reform – so konnte man in der
Vergangenheit, das heißt über viele Jahrzehnte, die Zuckerpoli-
tik der europäischen union charakterisieren. kaumwar ein Be-
schluss zur fortsetzung der Zuckermarktordnung für eine wei-
tere Periode gefasst, begann bereits die Diskussion über die
fortsetzung danach.
foto: natascha kreuzer
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