Z u c k e r t e c h n i k A n B A u B e t r i e B s w i r t s c h A f t M A r k t
P o l i t i k
A k t u e l l e s
Gerd sonnleitner
LZ 9 · 2012
Z U C K E R R Ü B E N
J O U R N A L
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3
Journal:
Die Diskussion über die Reform
der Gemeinsamen Agrarpolitik ist in vol-
lem Gange. Kritiker der Çiolos-Vorschläge
warnen vor überzogener Bürokratie zum
Beispiel bei der Frage, wie „aktive Land-
wirte“, an welche die EU-Förderung ver-
stärkt gehen soll, definiert und vor allem
kontrolliert werden sollen. Wie sehen Sie
das?
Sonnleitner:
Wir müssen aufpassen, dass
die Weiterentwicklung der EU-Agrarpoli-
tik bis 2020 sich nicht zu einem bürokra-
tischen Schreckgespenst entwickelt. Un-
sere klare Forderung: Entbürokratisie-
rung! Doch die bisherigen Vorschläge des
Agrarkommissars zum Greening, zur Kap-
pung oder zum aktiven Landwirt ver-
schlimmern den bisherigen bürokrati-
schen Aufwand. Hier muss sich also noch
viel verändern.
Journal:
Auch bei der Frage des Gree-
nings, bei dem 7 % der Fläche als ökologi-
sche Vorrangfläche reserviert werden sol-
len, scheiden sich die Geister. Ist das noch
aufzuhalten?
Sonnleitner:
Da ist noch nicht das letzte
Wort gefallen. Wir lehnen eine neue
Pflicht zur Flächenstilllegung konsequent
ab. Ein solches Instrument passt nicht in
unsere Zeit der erhöhten Nachfrage nach
Lebensmitteln und Bioenergie. Und unse-
re Frage, ob der Anbau von Eiweißpflan-
zen oder andere Alternativen dort mög-
lich sind, wurde bisher nicht eindeutig
vom Kommissar beantwortet. Natur- und
Umweltschutz wird doch von unseren
Bauern schon sehr umfangreich umge-
setzt: Auf jedem dritten Hektar betreiben
wir heute Agrarumweltmaßnahmen.
Auch das muss berücksichtigt werden.
Die Bauern brauchen hier viel mehr Wahl-
möglichkeiten.
Journal:
Wie soll es nach dem Auslaufen
der aktuellen Marktregelung zum 30.
September 2015 bei Zucker weitergehen?
Welche Position vertritt der Deutsche
Bauernverband und wie sieht es in Euro-
pa in der COPA aus?
Sonnleitner:
Die im Oktober 2011 von der
EU-Kommission vorgelegten Vorschläge
zur Gemeinsamen Agrarpolitik bis 2020
sehen ein Ende der aktuellen Zucker-
marktordnung zum 30. September 2015
vor. Allerdings handelt es sich hierbei
noch um einen Vorschlag und nicht um
geltendes EU-Recht. Dieser Vorschlag
steht eindeutig imWiderspruch zu der
Forderung des EU-Parlaments, das bei
dieser Agrarreform erstmals Mitentschei-
der ist und sich für eine Verlängerung der
geltenden Zuckermarktordnung bis min-
destens 2020 ausgesprochen hat. Diese
Verlängerung der Zuckermarktordnung
bis mindestens 2020 vertritt auch der
Deutsche Bauernverband in Übereinstim-
mung mit den deutschen Rübenanbauer-
verbänden wie auch dem europäischen
Rübenbauerverband CIBE. Als Präsident
des europäischen Bauernverbandes COPA
werde ich unsere Forderung mit Nach-
druck vertreten.
Journal:
Die Rübenbauern befürworten
natürlich die Verlängerung der Zucker-
marktordnung, aber welche Verbündeten
hat die Branche? Welche Position haben
zum Beispiel die AKP- und LDC-Staaten,
die Zucker nach Europa einführen dürfen?
Sonnleitner:
Wir stehen mit unserer For-
derung keineswegs alleine, sondern wer-
den von der Wertschöpfungskette Zucker
mit den Zuckerfabriken unterstützt, die
bekanntlich bei der Reform von 2006
durch Werksschließungen ebenfalls er-
hebliche wirtschaftliche Einschränkun-
gen erfahren mussten. Selbst die AKP-
und LDC-Staaten haben sich für die Ver-
längerung der Marktordnung ausgespro-
chen, weil sich diese Länder darüber im
Klaren sind, dass sich der Markt ohne die
europäische Zuckermarktordnung und
die kontinuierliche Produktion in Europa
weitaus volatiler entwickeln würde. Den
Wirtschaftsbereichen, die Zucker verwen-
den und intensiv für das Ende der Zucker-
marktordnung eintreten, kann ich nur im-
mer wieder sagen, dass Zucker aufgrund
des in den letzten Jahren teilweise ober-
halb des EU-Binnenmarktes liegenden
Weltmarktpreises ohne Marktordnung
noch teurer gewesen wäre.
Journal:
Die Zuckerrübe steht seit der Re-
form der Zuckermarktordnung viel stär-
ker in Konkurrenz zu anderen Feldfrüch-
ten. Wie beurteilen Sie die Zukunft der
Rübe? Hätte die Rübe auch ohne Markt-
ordnung nach 2020 eine Chance?
Sonnleitner:
Die innerbetriebliche Wett-
bewerbssituation bei Weizen, Raps und
Zuckerrüben hat sich in den vergangenen
Jahren immer wieder geändert. Aktuell
lassen sich für Weizen und Raps relativ
gute Preise realisieren. Damit sind diese
Kulturen auch für den rübenanbauenden
Betrieb eine interessante Alternative.
Aber wir haben in der Kampagne
2011/12, in der wir Rekorderträge sowohl
beim Rüben- als auch beim Zuckerertrag
erzielen konnten, gesehen, wie leistungs-
fähig die Zuckerrübe ist, wenn die Vegeta-
tionsbedingungen stimmen. Ich bin da-
von überzeugt, dass hier durchaus noch
Marktordnung bis 2020 verlängern
Interview mit Gerd Sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
Gerd sonnleitner, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
(DBV) und des europäischen Bauernverbandes (coPA), hielt bei
der Mitgliederversammlung des rheinischen rübenbauer-Ver-
bandes am 1. februar in Bergheim einen interessanten Vortrag
über die eu-Agrarpolitik bis 2020 und die Perspektiven für den
rübenanbau im rheinland. Das Journal sprach mit dem schei-
denden DBV-Präsidenten.
foto: franz ritz